Lebensmittel

Ich weiß gar nicht, ob es in Deutschland so etwas wie eine unverbindliche Preisempfehlung für Lebensmittel gibt. Oder ob in Deutschland der Geiz der Kunden den Markt reguliert. Hier existiert beides offensichtlich nicht.

Hier hast du die Wahl! Möchte ich lieber $1,50 für meinen Blumenkohl ausgeben oder $6,50? Möchte ich für die exakt selbe Milch $3,13 oder $4,89 bezahlen? Wohl gemerkt, wir reden nicht über Bio oder nicht Bio oder regional oder glücklich. Wir reden über dasselbe Produkt. In zwei verschiedenen Läden. Obwohl hier sowieso fast alles Bio ist. Find ich prinzipiell super. Ist nur blöd, wenn man eigentlich sparen muss.

Das Fiese hier ist: Es gibt nicht den einen Laden, in dem alles günstiger ist. Jeder Laden hat spezielle Angebote. Bei Berkeley Bowl ist das saisonale Gemüse einigermaßen erschwinglich. Dafür ist alles andere teuer. Bei Costco kriegst du Käse, Wurst, Fleisch und Joghurt in riesigen, bezahlbaren Mengen. Aber Finger weg vom frischen Gemüse. In der Apotheke ist die Milch am günstigsten. Obst teuer. Klar, man soll hier ja auch Vitaminpräparate erwerben.

Und dann gibt es manchmal Angebote, bei denen ich meinen Augen nicht traue. 1,8kg Gemüseplatte (Brokkoli, Blumenkohl, Erbsenschoten, Möhren) samt leckerem Joghurtdip für $1,60? Im Ernst? Leider hatte ich nur eine Fahrradtasche dabei. Beim nächsten Mal kauf ich 6 Platten und koch daraus eine Woche lang Mittagessen!

Zum Glück ist es wie meistens im Leben. Wenig Geld, viel Zeit. Ich habe die Herausforderung angenommen. Und geh dann eben in drei Läden nacheinander.

Die Auswanderin

Sonntagnachmittag auf dem Spielplatz. Theo hat einen Jungen entdeckt, der zwei Flitzebögen besitzt. Natürlich ganz sicher, ohne Spitzen und Kanten. Safety first. Nach wenigen Minuten jagen Theo und Toni den Jungen umher, Philipp ist begeistert dabei. Also können wir Mütter quatschen.

Ich treffe auf eine weitgereiste, hervorragend ausgebildete, alleinerziehende Mutter. Sie hat in Deutschland und Neuseeland gelebt, ein hohes Einkommen, kann ihrem Sohn alles bieten. Aber sie kann nichts sparen. „Meine monatlichen Ausgaben belaufen sich auf $9000“, erzählt sie. Ich glaube es ihr sofort.

Was sie, die in Berkeley geboren ist, noch mehr stört, ist das System. Es gibt hier alles, wenn du dafür bezahlen kannst. Sie kann es. Sie will nicht, dass ihr Sohn dieses Wertesystem lernt.

Also hat sie beschlossen, nach Italien auszuwandern. Der Vater ihres 6-jährigen Sohnes ist Italiener. Der Kleine kann also die Staatsbürgerschaft beantragen. Italien ist ihre Eintrittskarte nach Europa. Langfristig will sie nach Dänemark ziehen.

„Warum?“, frage ich erstaunt. „Kennst du da jemanden? Sprichst du Dänisch?“

Nichts davon ist der Fall. Sie hat strategisch gesucht. Nach einem Land, das zwei Kriterien erfüllt: 1) Die beste Vorsorge für den Klimawandel. 2) Ein gutes Gesundheitssystem. Dänemark landete auf Platz 1. (Ich habe ihr natürlich aus reinem Patriotismus Deutschland empfohlen, sie will es sich mal angucken.)

Gesundheitssystemsmigration: Versteh ich sofort. Ich bete hier jeden Tag, dass keiner von uns ernsthaft krank wird. Und wenn, dann sitz ich im nächsten Flieger nach Hause.

Klimawandelmigration: Kannte ich bisher nur aus krisengeschüttelten, Missernten geplagten Ländern. Und eigentlich wollen doch alle hierher, weil das Wetter so schön ist? Sie erläutert: „Ich habe Asthma. Während der letzten Waldbrände konnte ich tagelang nicht das Haus verlassen. Bekam drinnen kaum Luft. (Kein Wunder bei den zugigen Holzhäusern.) Wir leben hier, als ob es kein Morgen gäbe. Ich will das nicht mehr.“

Fachkräfte, die aus Amerika nach Europa auswandern! Gab es das schon mal? Jetzt ist es anscheinend soweit. Take that, Trump!

Der Auswanderer

Toni und ich im Zug. Toni sitzt, ich stehe, halte ihr Rad fest. Ein etwa 35-jähriger Mann beginnt das Gespräch mit: „Oh, macht ihr einen Ausflug heute?“ Nachdem er mich obligatorisch für eine Schwedin gehalten hat (eindeutige Kennzeichen: weiblich, groß, schlank, blond), beginnt er, von Europa zu schwärmen. Innerhalb von 4 Stationen erzählt er mir seine Lebensträume. Wie sehr ihn sein Heimatland nervt, wie unglücklich er hier sei, obwohl er gut verdiene. Er wolle nun endgültig nach Europa ziehen. Nächsten Sommer schon.

Ich frage, ob er denn schon wisse, wo in Europa er leben wolle? Und was er da tun werde?

Alles geplant: Er hat eine Mandelfarm in Spanien gekauft. Irgendwo in der Pampa. Die will er bewirtschaften und Mandelbutter produzieren lassen. Natürlich Bio. Wie gefühlt alles in Kalifornien. Seine Augen glänzen, die Vorfreude steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Wenn das Geschäft läuft, will er die spanische Staatsbürgerschaft beantragen. Um endlich Europäer zu sein. Take that, Trump!

Hallo Nachbarn!

„Da sitzt ein Kind auf unserem Zaun!“ Philipp deutet aus dem Fenster in unseren Garten. Wir winken. Das Kind guckt. Unsere Kinder gucken. Öffnen die Gartentür und flitzen auf Socken raus. Ein Kind! Ein kletterndes Kind! Und keine aufgeregten Eltern in Sicht! Ein Wunder!

Paolo ist 5 und unser Gartennachbar. Seine Mama ist so entspannt, dass ich sie erstmal fragte, ob sie aus Berkeley sei? Wirklich? Ganz in echt jetzt? WOW!

Toni und Theo nahmen die Herausforderung an und im Nu kletterten die drei wie kleine Äffchen über Zäune und Bäume. Toni wagte sich sogar in den Nachbargarten, fiel hin und verletzte sich just an einem Kaktus. (Die Vegetation hier ist gefährlicher, weil unbekannt für uns.) Zwei Finger bluteten, ich stand in meinem Garten, sie brüllte im anderen. Über den Zaun wollte ich nicht klettern. Also fragte ich die immer noch (!) völlig gelassene Mutter nach ihrer Adresse und lief los, um Toni abzuholen. Als ich ankam, war das Schlimmste überstanden, Tonis Hand schon desinfiziert.

Wir tauschten Telefonnummern aus und freuen uns auf Playdates! Ohne den eigenen Garten verlassen zu müssen. Eventuell werden die Väter gebeten, kleine Tritte zu installieren, um das Rüberklettern zu erleichtern.

Teilen verboten, streng verboten!

„Nutfree“ steht am Schultor. Eine nussfreie Schule besucht Toni also. Völlig neue Perspektiven.

Frühstück gibt es in den öffentlichen Grundschulen von Berkeley kostenlos für alle Kinder. Täglich Milch und Obst, dazu wahlweise Müsli oder Brot, manchmal Joghurt. So kann sichergestellt werden, dass wenigstens jedes Kind einen Becher Milch und etwas Vitamine bekommt. Und ein Frühstück.

Mittag wird in der Schule angeboten. Ist leider zu teuer für uns. Wir haben $1,50 im Monat „zu viel“, um ein kostenloses Essen zu erhalten. Also nimmt Toni, wie die meisten ihrer Klassenkameraden, belegte Brot, Obst und Gemüse mit. Und zum Nachtisch zwei Oreo-Kekse. Damit ist ihr der Neid der anderen Kinder sicher. Denn Süßigkeiten werden seitens der Schule ungern gesehen. Wusste ich bisher nicht und tue jetzt einfach mal so, als ob ich nichts davon weiß.

Naiv fragte ich Toni: „Hast du denn mit deinen Freunden geteilt?“

Toni: „Mama, man darf nicht teilen. Wer das macht, wird bestraft.“

Klar, es geht um Allergien, versteh ich schon. Ist aber trotzdem irgendwie eine absurde Lehre: Wer teilt, den bestraft das Leben. Zum Glück hören und erleben die Kinder in der Kirche das Gegenteil.

Kindeswohl?

Ich habe Angst. Wenn sich Toni allein mit ihrem Puppenwagen 100m vom Haus entfernt. Wenn Theo allein auf dem Fußweg steht und den Handwerkern im Nachbargarten zuguckt. Ich habe Angst um meine Kinder. Ich habe Angst vor meinen Mitbürgern. Dass jemand die Polizei oder das Jugendamt ruft. Weil er denkt, die Kinder würden vernachlässigt.

In Kalifornien gibt es zum Glück kein Gesetz, was eine definitive Altersgrenze festsetzt. Hier ist es eher Ermessenssache. In anderen Bundesstaaten ist das strikter.

Gestern wollten Toni und ihre Freundin allein einmal um den Block laufen (4x links abbiegen = 200m = 5 Minuten im Quatschemädelstempo). Vorsichtshalber gab ich ihnen einen Zettel mit unserer Adresse mit. Falls sie jemand anspricht. Alles ging gut. Die beiden kamen zurück, machten eine kurze Pause und gingen wieder los.

Da klopfte es an der Tür. Mein Herz begann zu rasen. Es war die Mutter. Dann das 2. Herzrasen: Was, wenn ihre Mutter schon so amerikanisiert ist, dass sie mein Verhalten unmöglich findet? Vielleicht darf Tonis Freundin dann nie wieder zu Besuch kommen? Ich beichtete ihr also vorsichtig die Situation. Sie grinste nur und sagte: „Meine Kinder dürfen das. Sie haben Namensanhänger dabei auf denen steht: „Wir wohnen in XY und dürfen allein umherlaufen.“ Bisher sei damit alles gut gegangen. Auch wenn es keine Sicherheit sei, dass nicht doch irgendwer die Polizei ruft wegen Verdacht der Verwahrlosung. Jetzt werden Anhänger gebastelt.

Rumänien ist nichts dagegen II: Hurra, die Post ist da! Oder auch nicht! Oder fast!

Post zu bekommen ist hier fast so ein Glücksspiel wie damals in meinem rumänischen Wohnheim. Wahrscheinlich erreicht der Brief die richtige Adresse. Eventuell landet er im oder auf dem Briefkasten. Hoffentlich ist er noch drin, wenn ich reinschaue.

Genau wie in Rumänien mieten viele Leute deshalb ein Postfach bei der Post. Wir probieren gerade, ob es auch ohne geht. Bisher hatten wir Glück.

Philipps Doktorurkunde wurde ihm aus Hamburg versichert zugeschickt. Das Geld hätte sich die Uni sparen können. Der Brief stand für alle gut sichtbar auf unserem Briefkasten…

Trotzdem waren wir geradezu übermütig und bestellten Tonis Schulrucksack bei Amazon. Primelieferung bedeutet hier: Innerhalb von 3-4 Tagen. Auch neu für uns. Am 4. Tag bat ich Philipp, mal in den Bestellstatus zu gucken. Und siehe da, das Paket galt als abgeliefert. Also flitzte ich vor die Tür, in den Garten, zur Garage, vor die Tür unserer direkten Nachbarn – nichts da.

Amazon scheint das Problem häufiger zu haben, denn sinnigerweise schickt der Postbote ein Foto vom Ablageort. Unser Paket befand sich auf einer schwarzen Fußmatte mit der Aufschrift „Cal“. (Wir sollten uns auch eine eindeutig zu identifizierende Fußmatte zulegen.) Mit detektivischem Spürsinn lief ich im Schein der Taschenlampe die Straße auf und ab. Und fand das Paket zwei Häuser entfernt tatsächlich. Kurz überlegte ich, ob ich vielleicht klingeln sollte, um den Irrtum aufzuklären. Letztlich packte ich einfach den Karton und lief wohlgemut heim. So leicht wäre es also, Pakete zu klauen…

Umso gespannter waren wir, ob Philipps Gehaltscheck ankommen würde. Er hatte 2 Optionen:

Paycheck per Post innerhalb von 5 Tagen erhalten (das Januargehalt hatten wir also am 4. Februar…)

Oder Überweisung des Gehaltes auf sein amerikanisches Konto. Dauer: 4-6 Wochen. Irgendwie muss Überweisung hier manuell per Postkutsche und mit einem einzigen Zugpferd und einem völlig übermüdeten Kutscher und vielen Zollstationen und und und geschehen.

Es hat geklappt. Der Scheck kam an. Nun muss Philipp ihn nur noch bei seiner Bank einlösen und in einer Woche sollte das Geld dann auf seinem Konto sein. Mitte Februar steht uns dann schon das Januargehalt zur Verfügung…

Die Kita zahlen wir selbstverständlich wieder per Scheck. Papier beschriften, in den hoffentlich richtigen Briefkasten werfen, fertig. So Gott will. Und keiner den Briefkasten aufknackt.

Chor: Gemeinsam singen im ständigen Wettbewerb

Ich habe riesiges Glück. Ich habe einen richtig guten Chor gefunden in Berkeley. Um hineinzugelangen, musste ich ein Vorsingen bestehen. Kein Ding, dachte ich mir, singen kann ich definitiv. Aber, holla die Waldfee, es war schwerer als gedacht. Nach einem kurzen Einsingen hielt Chorleiter Mark mir einen Notenzettel hin, fragte mich nach der Tonart, gab mir den 1. Ton und dann hieß es: A-capella vom Blatt singen. Ich schlug mich mehr schlecht als recht. Zum Glück überzeugte mein Vortragsstück und ich wurde aufgenommen.

Im Chor singen ist hier nicht wie in Deutschland. Chorsänger hier haben singen gelernt. Gesangsunterricht genossen zu haben ist hier die Norm. Ohne Ausbildung schafft man es nicht in den Chor. Chormitglied zu sein ist hier eher wie im Orchester zu spielen. Man muss sein Instrument vorher beherrschen.

Nun sollte man meinen: Wer drin ist, ist drin. NEIN, das wäre nicht amerikanisch. Hier geht es immer um Wettbewerb und Weiterentwicklung. Ich bin im A-Chor. Die Pros sind im C-Chor. Witzigerweise sind das 2/3 des A-Chores. Wenn wir getrennt proben, fühlen wir Übriggebliebenen uns als Elite. Weil in der Minderheit. Für den C-Chor hätte ich nochmal vorsingen müssen. Hatte aber keine Lust. Vielleicht im Herbst. Vielleicht gar nicht. Weil es fast noch elitärer ist, nicht im C-Chor zu sein und die ganze Zeit von allen anderen gefragt zu werden: „Du hast so eine tolle Stimme, warum bist du nicht im C-Chor?“ Das ist die echte Elite 🙂

Theo kommt ins Grübeln

In 8 Tagen ist Valentinstag. Den Vorbereitungen nach ein genauso wichtiges Fest wie Weihnachten und Ostern. Lehrer und Kindergärtner verschicken im Vorfeld Namenslisten. Damit jedes Kind an jedes Kind eine Valentinskarte schickt. (Ist es eigentlich noch was besonderes dann?) Alsofragte ich Theo und Toni, ob sie besondere Freunde für besondere Karten haben?

Toni: „Ich hab schon 5 Freunde. Aber ich weiß nicht von allen den Namen. Wir spielen immer zusammen.“

Tonis Aufgabe heute in der Schule: „Can you write down your name please?“

Theo: „Ich finde alle Kinder blöd.“

Theos Aufgabe bis Freitag: Ein Kind finden, das vielleicht nett sein könnte.

Gestern fiel Theo aber noch etwas viel Wichtigeres ein: „Wenn ich Geburtstag habe, brauche ich ja Freunde zum Feiern!“ Zweieinhalb Monate bleiben ihm noch, um das Problem zu lösen. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass er seine Barrikadehaltung doch noch durchbricht. Allein schon, um zu seiner Geburtstagsfeier nicht allein mit Toni die Pinata zerschlagen zu müssen.

Familienfreundlicher Zoo! ABER wie kommen wir dahin?

Es gibt wenige Aktivitäten, die hier einigermaßen erschwinglich sind für Familien. Der wunderschöne Zoo in San Francisco gehört dazu. Eine Familienjahreskarte kostet ca. 135€. Im Vergleich zu Hamburg ein echtes Schnäppchen. Und wir haben sie sogar geschenkt bekommen vom besten Hamburger Hauskreis!! Bloß, wie kommen wir dahin?

Da wir kein Auto haben, mit dem Nahverkehr. Kinder zahlen hier ab 5 Jahren. Also kostet uns ein Ausflug in den Zoo (oder zum Gottesdienst oder wohin auch immer) bis zu Theos 5. Geburtstag $30, ab Mai dann $40. Ohne Eintritt. Hätten wir ein Auto, wäre der Spritverbrauch zwar bedeutend geringer. Der Parkplatz kostete uns trotzdem noch $12.

Grundsätzlich ist die Bay Area ein Paradies für Ausflüge aller Art. Wenn man sie sich leisten kann. Es gibt fantastische Museen hier mit grandioser Kinderpädagogik. Eintritt für 4 Personen: $50-$80. Zum Glück sind die Spielplätze in der Umgebung wirklich toll – und mit dem Rad zu erreichen!

Ein Nasenbär im Zoo. Mit einer wirklich elendlangen Nase!