Vorfreude auf Deutschland

Wir fliegen nach Deutschland. Danke liebe EKD. Denn sie zahlt den Kindern und mir einen Rückflug innerhalb von 12 Monaten und den konnte ich nicht verfallen lassen. Gott sei Dank.

Pünktlich zur Adventszeit bekam Toni nämlich wieder Heimweh. Es begann ganz harmlos mit der Frage: „Kommt Grossmama Weihnachten zu uns?“ – „Nein.“, sagte ich wahrheitsgemäss. – „Kommt Jannschi?“ – „Nein.“ – „Kommt Chrischi?“ – „Nein.“ – „Kommt überhaupt irgendwer aus Deutschland?“ – „Nein.“

Und dann brach es aus Toni heraus: „Ich will nach Deutschland zurück. Ich will, dass es so ist wie immer. Dass wir alle zusammen Weihnachten feiern bei Grossmama in Rostock. Wie immer.“ Toni weinte bitterlich und ich beschloss, das Geheimnis zu lüften. Leise flüsterte ich ihr unsere Reisepläne ins Ohr. Sie lächelte, die Krise war überstanden.

Einige Tage später begann Theo mit denselben Fragen und Toni erzählte es ihm. Seitdem zählen die Kinder doppelt: Einmal klassisch bis Weihnachten. Und dann addieren sie 2 Tage dazu bis zum Abflug. Heute haben wir Geschenke eingepackt (halber Koffer) und unsere Klamotten. Am 26. fahren wir nach dem Frühstück zum Flughafen.

9 Stunden Direktflug allein mit 2 Kindern. Sollte kein Problem sein dank Filmangebot. Allerdings landen wir in Deutschland, wenn es nach amerikanischer Zeit Mitternacht ist. Irgendwie muss ich die beiden also zum Einschlafen bringen. Na, wird schon.

Ich bin langsam genauso aufgeregt wie die Kinder, noch 1x schlafen bis Weihnachten und 3x schlafen bis Deutschland. Hurra!

Brille futsch – Chaos pur

Ich war bei meinem ersten Chorwochenende. Es war traumhaft. Eine Jugendherbere direkt am Pazifik, nette Leute, abends Wein- und Schokoladengelage samt Spielen.

Irgendwann wankte ich ins Bett, noch immer glücklich. Und überlegte noch, wo ich meine Brille am besten hinlegen sollte. Entschied mich gegen meinen Rucksack. Die über mir Nächtigende könnte ja aus Versehen am falschen Ende runterkrabbeln und versehentlich draufsteigen. Letztlich legte ich die Brille so hoch wie möglich auf einen Sachenstapel. Wenn alles fällt, fällt die Brille sanft. Dachte ich, legte mich und schlief.

Wachte am nächsten Morgen auf. Fand meine Brille nicht. Also tappte ich umher und fragte schliesslich in den Raum. Wie von der Tarantel gestochen, öffnete daraufhin ein Mädchen das Fenster und sprang hinaus. Zurück kletterte sie mit meiner Brille in der Hand. Ein Glas war zersprungen, der Rahmen in der Mitte angeknackst, alles verbogen.

Ich stand unter Schock. Hatte keine Kontaktlinsen dabei. Musste eine Geburtstagseinladung absagen und konnte keine Robben bewundern. Was war passiert? Dem Mädel war nachts kalt geworden. Ohne auf den Sachenhaufen zu achten, hatte sie einfach das Festern zugezogen, von oben nach unten. Komischerweise waren die Klamotten ins Zimmer gefallen, meine Brille aus dem Fenster. Leider offensichtlich nicht sofort, denn den Sturz aus dem Erdgeschoss hätte sie überlebt. Stattdessen muss erst noch das Fenster auf sie raufgerumst sein.

Also verbrachte ich den Sonntag halbblind mit geliehenen Brillen von Chormitgliedern, die entweder zu stark oder zu schwach waren. Zu Hause angekommen fiel mir ein: Hey, du bist ja in Amerika. Nix mit Sonntagsruhe. Also ab zum Optiker, Brille aussuchen. Termin für den Augenarzt am nächsten Tag ausgemacht, Kontaktlinsen geholt. Von einer Nachbarin eine Brille mit fast meiner Stärke bekommen für morgens und abends. Sehr süss war meine Nachbarin Alice. Sie gab mir auch eine ihrer Brillen. Obgleich sie weitsichtig ist. Aber die Geste war so rührend, dass ich nicht ablehnen konnte.

Alles schien einfach und perfekt, bis meine Brille ankam. Ich konnte nicht wirklich mit ihr gucken. Alter Brillenprofi wie ich bin, hab ich mir erstmal nichts weiter dabei gedacht. Man muss sich ja immer erst gewöhnen. Nach 5 Tagen reichte es mir. Also wieder zum Optiker. Der mass nach. Alles so wie es sein soll. Passte den Rahmen besser an. Nochmal 3 Tage gewartet, dann ab zum Augenarzt. Der stellte fest: Die Brille hat 0,25 Dioptrien weniger als das Rezept. Allerdings hatte die Ärztin auch meinen Astigmatismus nicht richtig gemessen.

Nun hab ich ein neues Rezept und muss mich mit dem Optiker herumschlagen, wer die Rechnung übernimmt. Ich jedenfalls nicht. Und bis dahin seh ich nur so mittel scharf. Nehmt euch in Acht, liebe Mitbewohner!

Schlimmer als in Rumänien: Infrastruktur

„Wie viele Dollar hat Berkeley im letzten Jahr für die Instandhaltung seiner Straßen ausgegeben?“, fragte uns ein Freund. Wir überlegten, er grinste. Ah, also eine Fangfrage. „Null?“ – „Ja, genau.“

In entsprechendem Zustand sind die Straßen. Schlaglöcher wohin das Auge blickt, aufgerissener Asphalt, fehlende Markierungen. Zum Glück sind die Fahrbahnen so breit, dass man meistens ausweichen kann.

Selbst auf der Autobahn sieht es so aus. Die erlaubten 65 Meilen pro Stunde (104 km/h) fühlen sich entsprechend halsbrecherisch schnell an auf manchen Strecken. Wenn plötzlich alle vor dir ohne ersichtlichen Grund bremsen, unbedingt nachahmen. Die kommende Bodendelle dürfte besonders heftig sein.

Wo fließen die Steuergelder nur hin? Vielleicht in den öffentlichen Nah- und Fernverkehr? Weit gefehlt. Die Bart (S-Bahn) fährt wie die Straßenbahnen in meiner Kindheit: laut, langsam, ohrenbetäubend quietschend.

Wenn selbst im Bus fürs Autofahren geworben wird…

Die Züge sehen aus wie semi-moderne Regionalzüge. Der Schein trügt, denn sie imitierten Dampflocks auf dem 19. Jahrhundert: Sie tuten minutenlang, dass man es in ganz Berkeley hört und kriechen im Schneckentempo durch die Lande.

Schnellbahnen und ICEs wären ja mal ein Anfang. Aber bis die kommen, fahren hier die ersten selbstfahrenden Autos. Und dann kommen vielleicht die selbstfahrenden Busse und dann haben wir schon fast ein funktionierendes Nahverkehrsystem – ca. 2050!

Fundgrube Straße

Berkeley ist mein absolutes Paradies. Ich kann alles mit dem Rad erledigen (außer den Großeinkauf bei Costoco). Die Stadt bietet alles und ist dennoch überschaubar. UND ich muss nicht mal in Second-Hand-Läden reingehen, um meiner Leidenschaft zu frönen: Flohmarktschätze finden.

Der täglich Flohmarkt ist hier der Bürgersteig. Gleich am allerersten Tag entdeckten wir eine überdachte Box in der Nachbarschaft mit Kleidung, Büchern, Schuhen – was die Leute so hineinlegen. Darüber ein Schild: „Wenn du einen schlechten Tag hast, komm her, vielleicht findest du was Schönes.“ Auf dem Hinweg sahen wir eine hölzerne Ritterburg und ein mannshohes Skelett. Theo verliebte sich in beides. Das Skelett war eine Stunde später zum Glück schon weg…

Unsere Wohnung hat einen Geschirrspüler, aber nicht zu viel Geschirr. Also Augen auf beim Radeln! Vorgestern fand ich 2 Schüsseln vor dem Haus unserer Nachbarn. Heute ein komplettes Frühstücksservice 3 Straßen weiter. Als ich gerade von einem Nachbar kam, der über die App „Olio“ Brot und Kuchen verschenkte, weil er es nicht aufzuessen schaffte. Und wir freuen uns gleich auf ein leckeres Kaffeetrinken mit Apfel- und Nussplunder.

Diese Freigiebigkeit ist ein Phänomen, was nicht so richtig zu den sonstigen Preisen hier passt. Auf Craigslist oder Letgo werden gebrauchte Dinge z.T. verhältnismäßig teuer verkauft. Auf Nextdoor und auf der Straße werden sie verschenkt. (Beinahe hätte ich eine Fitbit geschenkt bekommen, war nur leider die 2. Interessentin.) Das Motto scheint zu lauten: Ganz oder gar nicht.

Als nächstes brauchen wir Löffel und ein Schuhregal, aber das wird sich finden 🙂

Kindermund I

Toni nach dem Kirchencafé: „Mama, hier ist das Essen soooo süß und fettig. Es ist wirklich heftig. Davon krieg ich Kopfschmerzen.“

Toni und Theo staunen über das 1,20m breite Kinderbett: „Da könnten wir ja zu zweit drin schlafen. Aber warum haben die hier so große Betten, wenn die Menschen so klein sind?“

Toni beim Anblick unseres Kühlschrankes: „Der ist doppelt so groß wie in Hamburg. Und halb so leer.“

Toni freut sich auf warmes Popcorn. Ein erster Biss, angewidertes Schütteln: „Iiiiiih, das ist ja salzig!“