Arizona: Route 66, Eselstaedte und eine kleine Wueste

Weiter ging’s die historische Route 66 entlang. Ein enger, geschwungener Highway. An jeder Kurve ueberlegte ich, was die Familie von „Grapes of Wreath“ hier erlebt hatte. Als wir ueber einen Berg fuhren, war ich mir sicher, dass hier die Oma gestorben ist. Wir holten uns Dunkin’s Donuts und ploetzlich war es dunkel.

Egal, wir wollten durch eine Geisterstadt samt Eseln fahren. Die hatte uns unser naechster Gastgeber empfohlen. Es war eine witzige Geisterstadt. Halb verlassen mit Eseln, halb bewohnt und touristisch bewirtschaftet. Gruselig und witzig zugleich.

Schliesslich erreichten wir unser Nachtquartier. Der Gastgeber stellte sich als echter Missionar heraus. Ich witterte das gleich und liess Philipp das Gespraech fuehren. So dauerte es nur 30 Minuten… Er gab und Infos mit, wann Jesus genau geboren wurde (September im Jahre 4.v. Chr.) und riet uns zu obskuren Medikamenten gegen Corona. So sei er 100% geschuetzt, er trage seine Maske nur aus Ruecksicht auf uns… Das Haus grundreinige er nach jedem Besucher (allein 2h dauere das fuer die Couch). In der Kueche waren amerikanische Basics wie Peanutbutter und Instantkaffee und zuckrige Cornflakes fuer uns.

Und im Wohnzimmer standen ein Doppelstockbett und ein Laufband. Die Kinder waren begeistert. Theo rannte wie bloed einige Kilometer. Dann versuchte Toni aufs laufende Band zu springen, fiel, schrie wie am Spiess. Theo schaffte es, das Band anzuhalten, doch Toni hatte schon 2 heftige Schuerfwunden an den Knien. Und bruellte! Ich verarztete sie, hiefte sie zu mir ins Bett. Und versuchte irgendwann zu schlafen.

Bis der Feueralarm anfing, zu piepen. Ich brauchte einige Zeit, um das zu realisieren. Dann noch mehr Zeit, um gegen ihn zu hauen. Ohne Erfolg. Irgendwann weckte ich Philipp und er montierte ihn ab. Da war ich schon voellig entnervt und muede.

Auf meinen freundlichen Hinweis am Morgen, meinte der Vermuter nur: „Ah, kein Problem, ja, da muss ich die Batterie wechseln.“ Ich murmelte, dass es aber durchaus ein Problem fuer mich gewesen sei. Er laechelte es nachsichtig weg.

Wir waren wieder mal maximal unvorbereitet. Deshalb stellten wir manchmal recht kurzfristig fest, dass wir noch etwas sehen mussten. Zum Beispiel die Mojave Sandduenen. Riesige, weite, hohe Duenen, die so nah wirkten und doch eine gute Stunde Wanderung im tiefen Sand bedeuteten. Und dann standen wir direkt vor einer Wand aus Sand. Alle anderen liefen natuerlich den Kamm. Philipp und die Kinder fanden, „das letzte Stueckchen laufen wir jetzt direkt hoch“. Ich hab schon lange nicht mehr so geflucht. Nach 1/3 lag ich keuchend im Sand waehrend Theo solidarisch wieder runtergekrabbelt kam zu mir. Nach 2/3 war ich mir sicher, hier, heute, in diesem Sand an Erschoepfung zu sterben. Nach 3/4 verfluchte ich alle Anwesenden. Und schliesslich zog ich mich keuchend hoch.

Theo fand das alles so aufregend, dass er, oben angekommen, gleich nochmal runterrannte – und dann wieder hoch. Dieser Irre. (Spaeter erfuhren wir, dass seinen Patentante genau denselben Fehler gemacht hatte mit ihrem Mann :))

Die Aussicht war fantastisch. Und ausserdem hatte ein junges Paerchen ihre Surfbretter mitgebracht zum Sand rutschen. Sie liehen sie den Kindern mal aus. Das Glueck war perfekt. Und die Rueckwanderung laaaang. Mit mueden Beinen und einigermassen ausgehungert (wir hatten ja eher fuer ne Stunde geplant also fuer 2,5). Warum soll es unseren Kindern anders ergehen als mir damals…

Ihre Majestaet, der Grand Canyon

Durch endlose Weiten fuhren wir durch Arizona. Fast wie im Western, nur schneller. Ansonsten Felsen, Steppe, weit und breit nichts. Das Meiste gehoert heute wieder Ureinwohnern. Minisiedlungen kleben im Schatten der Felsen, das Benzin ist billig. An den Strassenraendern ueberall Verkaufsstaende fuer Indianerschmuck.

Da die Staemme besonders hart von Covid betroffen sind, war alles geschlossen. Und durch die Reservate der Navaho Nation durfte man auch nicht fahren, sodass wir einen grossen Bogen machen mussten.

Viele Orte haben dort bis heute weder fliessend Wasser noch Strom. Ein bisschen wie in Rumaenien 2007. Hygieneregeln einzuhalten, ist deshalb schwierig. Schutzausruestung wurde nur schleppend geliefert. Ein grosses Elend mitten im reichen Land.

Dann unser erster Stau. Kurz vor dem Eingang zum Nationalpark. Es wuerde also voll sein. Wir parkten und versuchten uns, zu orientieren. Das Besucherzentrum war zu, dafuer grasten Elche ruhig am Strassenrand.

Und wieder traf uns die Sicht ueberraschend. Diese Canyons sind wirklich verrueckt. Erst sieht alles aus wie mecklenburgischer Wald samt Heidelandschaft. Und dann geht’s ploetzlich in die Tiefe. Hier schwindelte es mich. Meine Haende wurden schweissig und ich bestand darauf, dass die Kinder die planierten Weg nicht verliessen. Auch nicht fuers Foto. Denn wer hier faellt, faellt ins Bodenlose.

Staunend wanderten wir im Sonnenuntergang einige Kilometer. Die Farben! Das Licht! Man wollte sich daran besaufen! Oder es malen!

Wir trafen einen Mann aus Alabama, der mit seinem kleinen Jeep und Hund gerade nach Oregon umzog zu seinem Sohn. Nachdem sein anderer Sohn im letzten Jahr verstorben war, wollte er keine Zeit mehr verlieren. „Er ist alles, was ich noch habe.“, sagte er. Dafuer gibt er gern sein Leben, sein Haus, seine Freundschaften auf im Sueden. Die lange Reise wollte er wenigstens nutzen. Denn er war noch nie zuvor in diesem Teil des Landes gewesen. Und so fuhr er gemaechlich seiner Zukunft entgegen.

An dem Abend war unsere Unterkunft ein altes Haus mit Kamin und so viel Platz, dass wir jeder allein haetten schlafen koennen. Dazu eine traumhafte Badewanne. Leider war das Wasser so pueschwarm. Wir genossen die wohlige Waerme des Ofens, Theo war Feuermeister und stolz wie Bolle.

Am naechsten Tag nahmen wir uns den ersten Abschnitt des Abstieges vor. 2 km bergrunter, 2 km wieder rauf. Ziemlich oede, ehrlich gesagt. Nicht sonderlich spannend, super anstrengend und ueberfuellt. Die Kinder jammerten ununterbrochen. Von ihrer Bryce-Energie war nichts mehr zu spueren.

Aber: Wir waren da, wir haben ihn uns einen bisschen erlaufen. Und irgendwann wandern wir da mal die spannenden, ungesicherten Wege. Wenn jeder fuer sich selbst verantwortlich ist. Sonst macht das mein Herz nicht mit.

In Gottes Heiligtum: Bryce Nationalpark

Im Rueckblick frage ich mich ja wie es sein kann, dass ich noch nie bewusst vom Bryce Canyon gehoert hatte. Als wir ihn gegen 10.00 erreichten, fuehlten wir uns kurz verhonepipelt. Ein Wald im kuehl-nassen Novemberwetter, na toll. Dann fuhren wir auf den ausgezeichneten Parkplatz am Rande des Canyons und uns stockte kurz der Atem. Vor uns lag ein Maerchenland. Wie aus dem Nichts aufgetaucht.

Skurile Sandsteinfelssaeulen in allen Formen. Schloesser und Tuerme ragten auf, bewacht von Koenigen und Burgfraueleins, von Loewen und Drachen. Hinter jeder Ecke lugte eine neue Welt, eine neue Geschichte. Wir liefen wie getrieben, rissen die Augen auf um alles abzuspeichern. Wir rannten und jubelten und sangen vor Glueck.

Beim Picknick besuchten uns Blauspechte und Erdhoernchen in der Hoffnung auf einen Leckerbissen. Aber natuerlich nicht mit uns. Denn die Kinder sind nun gut informierte Junior-Ranger mit mehreren Abzeichen und geleisteten Schwueren, die Natur zu bewahren und zu schuetzen.

Unser Hotelzimmer war noch groesser und luxurioeser als das vorherige. Dafuer war der Pool geschlossen. Wir zappten durch die Fernsehprogramme und blieben bei einem leicht obskuren Maerchenfilm haengen ueber die Entfuehrung und nochmalige Entfuehrung einer Prinzessin. Erst durch Raeuber, dann durch ihren Liebsten, dann durch ihren Verlobten. Riesige Ratten kamen vor und ein Folterknecht mit 6 Fingern.

Am naechsten Morgen erwartete uns ein herrliches, amerikanisches Fruehstuecksbuffet. Zum Glueck war der Saal schon voll und so wurde uns ein freier Konferenzsaal zugewiesen, ganz fuer uns allein. Da konnten wir trotz Corona unsere Pfannkuchen samt Ruehrei und French Toast und Muffins und schrecklich suessem Kakao geniessen.

Beseelt vom ersten Tag, beschlossen wir uns am 2. Tag an eine knapp 8km lange Wanderung mit ueber 600 Hoehenmetern zu wagen. Wir stapften durch Schnee und schlitterten eisige, schmale Wege runter. Wir liefen durch natuerliche Tunnel und bewunderten „Hooloos“, Felsenfenster. Und die ganze Zeit ueber wollte ich schreien vor Glueck. Gott hat sich definitiv selbst die schoensten Kirchen erschaffen und Bryce ist die Kathedrale unter ihnen. Das wussten schon die Ureinwohner und hatten dort ihre heiligen Orte.

Theo redete die gesamte Wanderung ueber von dem Film und dem 6-fingrigen Mann. Ein Paerchen kam uns entgegen und kommentierte dies. Wir kamen kurz ins Gespraech und so lernten wir, dass wir einen amerikanischen Klassiker gesehen hatten: The Prince’s Bride.

Einzige Herausforderung dieser Etappe: Mit Untergang der Sonne war es kalt. Und trotzdem mussten wir natuerlich draussen kochen. Naja, man kann ja auch mal schnell essen 🙂

Urlaub im gelobten Land: Las Vegas und Zion Nationalpark

Im Morgenlicht fuhren wir auf eine Stadt zu. Und ploetzlich rief Philipp: „Das ist Las Vegas!“ Und da packte es mich. Wir eroerterten kurz die Lage. 20 Minuten Puffer hatten wir. Also, auf in die Stadt und wenigstens einmal die wichtigste Partymeile entlangfahren. Vorbei am Springbrunnen, an Hotels (die ich nicht wiedererkannte, aber Philipp aus Filmen), am Eifelturm, am Piratenschiff, an blinkenden, glitzernden Lichtern. Die Kinder waren begeistert. Ich hatte Muehe, alles zu sehen beim Fahren. Nachts ist das bestimmt gaaaanz toll (wie die Reeperbahn auch). Tagsueber hat’s ja immer etwas Melancholisches.

Dann noch schnell Lebensmittel aufstocken beim Walmart (inklusive fuerchterlich suessem Buttermilchkuchen, sah nach Pudding aus, war im Angebot – und dann leider nicht geniessbar…) und auf zum Zion. Ins heilige Land der Mormonen.

Mit einem Shuttlebus fuhren wir in den Park. Jede 2. Sitzreihe war gesperrt wegen Covid, alls Fenster waren geoeffnet und es galt natuerlich Maskenpflicht. Unserem Sicherheitsbeduerfnis war damit Genuege getan. Bis der gespraechige Busfahrer auf einen riesigen Felsen verwies auf einer Strassenseite. Der sei im Fruehjahr abgebrochen und hintergerasselt. Gut, dass da gerade keiner stand.

Am 1. Tag wollten wir die „Enge“ erwandern. Oder den ersten kinderfreundlichen Teil davon. Es war ein Herbsttag wie er im Buche steht. Sonnenstrahlen liessen gelbes Laub erstrahlen, die Haenge glitzerten vom Tau, im Fluss spiegelte sich das Licht. Ein betonierter Wanderweg fuehrte am Fluss entlang. Und trotzdem kamen uns Menschen in kompletter Regenmontur entgegen mit Wanderstoecken und ausgeliehenen Wanderstiefeln. Wir machten uns froehlich lustig ueber die verrueckten Amis, die immer erst die Ausruestung kaufen und dann spazieren gehen. Bis wir zum Beginn der Enge kamen. Da, wo der Betonweg im Fluss muendet und nur noch die Harten gegen die Stroemung in die Schlucht hineinlaufen. Die Kinder und ich steckten unsere nackten Fuesse einmal ins Wasser und beschlossen nach 2 Schritten, dass das nun nicht noetig sei und man dafuer wohl doch die Ausruestung brauche…

Muede kamen wir zum Parkplatz zurueck und suchten einen Kochplatz mit Blick auf Felsen. Dazu Steaks aus der Pfanne und Nudeln und Salat (direkt nach dem Einkaufen halt), das Leben war herrlich.

Und es wurde noch besser. Denn dank Corona hatten wir ein Hotel mit Sternen samt grossem Pool und Hottub. Beide ebenfalls dank Corona herrlich leer. Ich traf einen Ex-Militaer (3 Irakeinsaetze) und heutigen Pentagon-Polizisten, der Trump gar nicht mochte und Sorge vor Krawallen wegen der Amtsuebergabe hatte. Er behauptete, sein bestes Steak in Muenchen gegessen zu haben. Naja, ganz ehrlich, das hab ich ihm nicht geglaubt. Amerikanisches Steak ist schon der Hammer! Was wir ihm glaubten war die Empfehlung, in den Bryce Nationalpark zu fahren. Wir googelten kurz und buchten kurzerhand um. Eine Nacht weniger im Zion, dafuer eine Nacht im Bryce. Frueh aufstehen konnten wir ja nun auch. Also kein Problem noch eine Station mehr einzuplanen.

Fruehstueck gab’s am naechsten Tag in der beruehmten braunen Tuete. Das Muesli der Kinder bestand aus suessen Cornflakes mit Einhoernern aus purem Zucker. Das war selbst fuer Theo zu viel (und der verzuckert sich seine Haferflocken immer fuerchterlich).

Am zweiten Tag erwanderten wir kleine Wasserloecher auf idyllischen Wegen. Theo zerbrach bei der ersten Pause Tonis Wanderstock. Damit war die Stimmung hinueber und wir teilten uns die Kinder auf. So ging’s… Das Licht war traumhaft. Nur ueber die herabhaengenden Felsvorspruenge versuchte ich nicht nachzudenken.

Die halsbrecherische „Engellandung“ sparten wir uns. Es ist quasi ein Klettersteig ohne Sicherung. Ich wuerde da maximal hochkommen und muesste dann wahrscheinlich entweder unter Hypnose runtergeleitet werden oder von der Bergrettung geborgen werden.