Hochsicherheit am Badesee

Mitte Juni und endlich Sommer! Temperaturen über 30 Grad am Wochenende. Ab an den See. Lake Anza wurde uns empfohlen. Ein kleiner See im Naturschutzgebiet Tilden hoch über Berkeley. Er koste zwar Eintritt, dafür gebe es Sand und Schatten, Klos und Rettungsschwimmer.

Mit dem geliehenen E-Auto von Freunden quälten wir uns die steilste Straße Berkeleys hoch. Gefühlt rollten wir rückwärts. Abwärts ist die Strecke übrigens auch nicht harmloser. Es ist wie beim Skifahren auf der schwarzen Piste. Da sieht man die halsbrecherische Tiefe auch erst, wenn man schon auf dem Weg nach unten ist.

Gegen Mittag war das Freibad noch angenehm leer. Also raus aus den Klamotten, rein in die Badesachen. Theo mit Schwimmgürtel und Schwimmflügeln ausgestattet. Tonis Flügel vorsichtshalber mit ans Wasser genommen gegen erlahmende Arme. Und ab in den See.

Bis zur ersten Absperrung nach ca. 5 m = Hüfthöhe bei Theo! Bis hier dürfen alle Kinder und Eltern. Die nächsten 5m sind für Kinder von Eltern, die den Schwimmtest bestanden haben. Also marschierte ich zum ca. 18-jährigen Rettungsschwimmer und meldete mich zum Schwimmtest. „Du musst 15m kraulen, Kopf unter Wasser mit seitlicher Atmung.“ Oha, kann ich das noch? Hab ich mal gelernt in meiner Jugend, aber ewig nicht gemacht. Aber Blamage ist nicht drin. Ich drückte Toni meine Brille in die Hand und nahm die Herausforderung an. Hab sie auch gemeistert. Gut, ich schwamm schräg und zu weit, hab ja nichts gesehen ohne Brille, aber dass Abzeichen in Form eines Armbandes bekam ich überreicht. Puh.

Hurra, ich kann schwimmen!

Ich vermute, 60% der Deutschen würden diesen Test nicht bestehen. Aber hier in den USA lernt man als erstes Kraulen, nicht Brustschwimmen. Und Regel ist Regel.

Nun durfte Toni ihre Schwimmübungen unter meiner Aufsicht und den Augen von 6 (!) Rettungsschwimmern in hüft- bis halstiefem Wasser fortsetzen. 2 standen auf den Wachttürmen, 2 wateten im Wasser herum, 1 paddelte im 3 Bereich auf einem Board und 1 lief zwischen allen hin und her. Sie waren fast schon eine Planschbehinderung.

Auf der anderen Seite des Sees badeten einige ganz Wagemutige. Außerhalb des abgesperrten Bereichs. Also Megafone rausgeholt und reingebrüllt: „Es ist strengstens verboten… Verlassen Sie sofort das Gewässer.“ Und das Wunder: Die Leute gehorchten.

Alle 90 Minuten wurden alle Kinder unter 16 Jahren aus dem Wasser gescheucht. „15 Minuten Pause: Findet eure Familien, trinkt was, esst was, schmiert euch mit Sonnencreme ein und geht aufs Klo.“, lautete die detaillierte Anweisung. Blöd, wenn man gerade erst ins Wasser gegangen war. Austricksen ging nicht, denn: „Die 15 Minuten beginnen erst, wenn das letzte Kind das Wasser verlassen hat.“

Bei aller individuellen Freiheit, die Amerikaner so schätzen, ist ihre Hörigkeit gegenüber Autoritäten immer wieder erstaunlich. Regeln müssen eingehalten werden. Egal, wie absurd sie sind.

Nach einigen Stunden traf Theo seinen Kindergartenfreund Ashton. Nach wenigen Minuten waren sie im schönsten Wasserpistolenkampf. „Bis zur ersten Absperrung darfst du gehen“, rief ich ihm zu und blieb mit Toni, die sich gerade aufwärmen musste, am Ufer stehen. Einige Minuten später kam ein aufgebrachter Rettungsschwimmer auf mich zu. Ich müsse mich in der Nähe meines Kindes aufhalten! Am besten direkt neben ihm.

Nun stiefelte ich dem davon sichtlich genervten Theo hinterher durchs Wasser, wurde ständig „aus Versehen“ nass gespritzt und drehte mich alle paar Sekunden nach Toni um, die nun „unbeobachtet“ spielte. So entspannt hatte ich mir meinen Samstag vorgestellt. Während Theo seine Pistole lud, stand ich 2 Schritte hinter ihm, ein Rettungsschwimmer 4 Schritte neben ihm. Sicherer geht es nicht. Bis ein weiterer Rettungsschwimmer auftauchte. Mit Tunnelblick ging er auf Theo zu, ignorierte mein Winken und fragte „Wo ist deine Mama?“ Ich wedelte hysterisch mit den Armen. Er sah mich. Allgemeine Erleichterung.

Selbst unsere Schwimmflügel wurden mokiert. Ob ich meinem Kind nicht sicherere Schwimmhilfen geben wolle? Aus Styropor? Die hier könnten platzen und dann würden die Arme der Kinder hoch gerissen (wieso eigentlich nicht runter?) und sie würden jämmerlich ertrinken (im knietiefen Wasser). Wir könnten die sicheren Hilfen kostenlos ausleihen. Ein Blick zu Toni, sie nickte, ok, dann machen wir das. Schwimmflügel ausziehen, Styropor-Flügel-Westen-Kombination anziehen. Zu klein. Na, wir haben guten Willen bewiesen.

Toni fand alles witzig und machte sich eine Spaß draus. Sie „schwamm“ zur ersten Absperrung und zappelte dann wie wild herum. Philipp fand es unterhaltsam, der Rettungsschwimmer nicht.

Fazit: Da fahren wir nicht wieder hin. Oder erst nach 18.00. Dann hat die Seenotrettung Feierabend. Und der Eintritt ist frei.

Ally-Award

Einmal im Monat werden Schüler beim „Community-meeting“ für Hilfsbereitschaft ausgezeichnet. Die Lehrer verleihen sie und rufen die Kinder einzeln auf. Vor der gesamten Schule. Das Foto der monatlichen Gewinner hängt vor dem Büro der Direktorin. Gut sichtbar für alle.

Ausgezeichnet für ihre Hilfsbereitschaft!

Im Juni war es soweit. Toni bekam einen Award. Dafür, dass sie gut auf andere achtet, gut beobachtet und freundlich ist. Ihre Lehrerin hatte uns einige Tage zuvor Bescheid gegeben. Also radelte ich morgens zur Schule. Ohne Toni einzuweihen, es sollte eine Überraschung sein. Allerdings bestand ich in der Früh darauf, dass sie sich ihre Haare kämmte.

Jedes Treffen beginnt mit der Wiederholung der Schulregeln: Sei freundlich. Sei hilfsbereit. Usw. Und natürlich die Erinnerung daran: Wir hören mit den Ohren, mit den Augen, mit dem Verstand und mit dem Herzen.

Und dann war es soweit. Strahlend stand Toni vor der Schule, ließ sich beklatschen und fotografieren. „Wofür eigentlich?“, fragte sie mich danach. „Ich hab doch nichts besonderes gemacht.“ Gefreut hat sie sich trotzdem.

Graduation von der Kita

Zu graduieren, also die Schule und Uni erfolgreich abzuschließen, ist einer der großen amerikanischen Träume von Eltern und Kindern. Also beginnt man früh damit. Schon die Kitakinder „graduieren“. Mit Hut natürlich.

Zur Feier waren alle Eltern, Geschwister, Großeltern usw. eingeladen. Wir saßen auf Miniholzstühlen und warteten. Auf den pompösen Einzug unserer Stars von morgen. Die Kinder gingen in Reih und Glied. Bis Theo an der Reihe war. Er fand es einfach nur albern, lachte und warf seinen Hut runter. Leider kannten die Lehrer da gar kein Pardon. Der papierne Graduation-Hut kommt gefühlt gleich nach der amerikanischen Flagge. In Berkeley vermutlich sogar noch davor. Also versuchten sie Theo mit aller Kraft, diesen Hut wieder aufzusetzen.

Theo ganz rechts während der 5 Sekunden, die er den Hut widerwillig trug.

Bis Theo brüllte. Philipp musste hin und helfen. Für Theo war die Feier damit gelaufen. Er war wütend auf die Lehrer, verpasste das gemeinsame Singen, wurde noch wütender und saß irgendwann schmollend mit mir auf der Couch.

Dabei hatte er mich einige Tage zuvor damit überrascht, klar und deutlich zu singen: „Lean on me, when you’re not strong, and I’ll be your friend.“ Gefolgt von „She sells sea-shells by the seashore“.

Ironisches Highlight der Vorführung war der Moment, in dem die 5-Jährigen sangen: „Best time of my life“. Während die Eltern gerührt blinzelten, musste ich mir einen Lachanfall verkneifen. Hoffentlich war das nicht die beste Zeit ihres Lebens. Wäre ein schlechtes Omen für die nächsten 80 Jahre…

Beim „Potluck“ (jeder bringt was zu Essen mit) danach gab es für uns Eltern alles, was das Herz begehrt. Die Kinder bekamen „Corn Dog“: Würstchen im süßen Maismehlmantel, frittiert. Theo und Toni fanden es eklig und suchten Essasyl bei uns. Nach 1 1/2 Stunden Kulturschock saßen wir laut lachend im Auto. Verrückt, diese Amis.

Ihr kümmert euch um Deutsch, wir um Englisch

Wie wohl jede Familie, die im Ausland lebt, stellt sich für uns die Frage: Wie fördern wir unsere Kinder bestmöglich? Sodass sie weiterhin Deutsch sprechen und schnell Englisch lernen? Wie immer bei Fragen der Kindererziehung sind die Meinungen bunt.

Immer wieder fragen mich Menschen: „Welche Sprache sprecht ihr denn zu Hause?“ Manche mit kritischem Unterton und entsprechend erstaunten, weit aufgerissenen Augen, wenn ich antworte „Deutsch“. „Gar kein Englisch?“ Ich: „Nein. Außer, wenn sie konkret fragen oder wenn sie fehlerhafte Worte oder Sätze mitbringen. Die korrigiere ich dann.“ Aufatmen beim Gegenüber. „Aber würde es ihnen nicht helfen, wenn ihr mit ihnen Englisch sprächet?“ Verständnisvolles Lächeln meinerseits: „Vielleicht am Anfang. Langfristig ist es mindestens genauso wichtig, dass sie gutes Deutsch sprechen.“

Andere Immigranten oder Amerikaner in 2. Generation hingegen sprechen mich auf dem Spielplatz oft lobend an. Wie gut es sei, dass wir unsere Sprache pflegten und wie wichtig. Viele haben erlebt, wie die Sprache ihrer Heimat, ihrer Eltern und Großeltern verloren gegangen ist.

Trotzdem bin ich immer mal wieder verunsichert, was gut und richtig ist (sonst wäre ich ja keine Mutter). Also fragte ich in der Kita nach, wie Theos Englisch sich entwickle. Die Antwort: „Super.“ Entschuldigend fügte ich hinzu, dass wir zu Hause kein Englisch sprächen. Nur Filme grundsätzlich auf Englisch schauen. Daraufhin die Lehrerin: „So ist es perfekt. Ihr kümmert euch um Theos Deutsch, wir uns um sein Englisch.“

Die Theorie dahinter ist einleuchtend. Kinder müssen sprechen lernen, ihren Wortschatz erweitern, ihre Ausdrucksmöglichkeiten erkunden. Egal in welcher Sprache. Ein Kind, dass in einer Sprache komplizierteste Sätze formuliert, Reime bildet und Synonyme kennt, wird auch in allen anderen Sprachen seines Lebens den Wunsch haben, sich ebenso eloquent ausdrücken zu können.

Dass zu Hause Englisch gesprochen wird, erwarten hier weder Schule noch Kita. Dass Kinder auch in der Schule in ihrer Muttersprache miteinander sprechen wird unterstützt. Ein Migrationshintergrund wird grundsätzlich als Geschenk und Chance angesehen. Nicht als Nachteil. Das geht soweit, dass amerikanische Eltern ihre Kinder auf spanische Schulen schicken. Damit sie auch möglichst früh eine Fremdsprache erlernen. Wie die Mehrheit ihrer Freunde hier in Berkeley.

Letzte Woche fragte Toni mich: „Mama, ich spreche so gern Englisch. Kann nicht einer von euch mit mir zu Hause Englisch sprechen?“ Ich atmete kurz durch und sagte dann im besten Brustton der Überzeugung: „Nein. Wir sprechen zu Hause Deutsch.“

Hoch leben die Mütter

In Amerika ist alles ein bisschen größer. Entsprechend ließ ich mich einige Tage lang als Mutter feiern. Auch mal schön.

In Schule und Kita sollten die Kinder Karten schreiben und basteln. Also krickelte Theo erstaunlich ordentlich „Happy Mother’s Day“ und „I love you“ und „Theo“ auf seine Karte. Und diktierte zusätzlich „because you make cookies for me“. Ich fühlte mich geschmeichelt, meine Backkünste waren schon lang nicht mehr bewundert worden. Bis die Wahrheit zuschlug: Er meinte die Schokokekse der vergangenen Woche. Übriggeblieben in der Kirche. Erworben beim Großmarkt Costco. Fazit: Liebe ist eben doch käuflich.

Am Freitag lud die Kita alle Mütter und Großmütter zum „Mother’s Tea“ ein. Es gab Früchtetee aus Porzellantassen, Madeleines (Theo aß seine und meine), Blaubeeren, Erdbeeren und natürlich Cracker’n Cheese. Sonst wäre es ja keine amerikanische Teezeit. Jedes Kind hatte seiner Mutter Blumen gebastelt. Außer Theo. Seine Erzieherin erklärte mir: „Ich hab wirklich alles probiert, aber er wollte partout nichts basteln.“ Daraufhin ich: „Ich hab auch alles probiert, aber er wollte dir auch keine Karte basteln.“ Wir nickten verständnisvoll. An meinem Tisch standen stattdessen die von Theo am Morgen für seine Erzieherin gepflückten Blümchen vom Wegesrand. Schlauer Junge. Ein Strauß, zwei glückliche Frauen. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Neben uns saß die Familie von Theos Freundin Kaylee-Jane. Der Kontrast hätte nicht größer sein können. Kaylee und ihre Schwester in pompösen Tüllkleidern mit Fascinatern auf dem Kopf. Die Mama im Etuikleid, die Großmutter im pinken Traum samt Hütchen. Es herrschten Zucht und Ordnung. „Bei einer Teaparty muss man sich benehmen“, erklärte die ältere Dame. Ihrer Tochter waren so viele Manieren sichtlich unangenehm. Irgendwie verständlich inmitten einer Horde von Kitakindern. Die Familie ist im Herbst aus Texas hergezogen samt Oma. Für drei Jahre. Solange unterrichtet der Vater an der Uni angehende Offiziere. Texanische Militärangestellte also. Konservativer geht nimmer. Wie Kinder doch ihre Freunde ganz nach dem Geschmack der Eltern auswählen… Falls sie ihre Abendessenseinladung wahr machen, muss Theo krank sein oder sonstwie verhindert oder irgendwie ruhig gestellt.

Am Muttertag selbst übertrafen sich hier alle selbst. Um 8.00 bekam ich frischgebackene Pfannkuchen serviert, bevor ich 8.15 das Haus verließ (normalerweise esse ich Sonntags immer allein mein Brötchen, maximal von einer schläfrigen Toni Gesellschaft erhaltend). In der Kirche gab es Rosen für alle Damen (und für die Pastorin gleich 3, ist definitiv der beste Job der Welt). Der beste Ehemann der Welt buk mir eine Erdbeertorte, Toni malte Bilder (und sorgte dafür, dass Theo sich ausmalend beteiligte) und bastelte Papierblumen.

Nun muss ich nur fix die Weinflasche leeren, um eine angemessene Vase zu haben. Was tut man nicht alles.

Am 3. Sonntag im Juni ist Vatertag…

Theo, Held der Phrasen

Jeder lernt Sprachen auf seine eigene Weise. Das gilt anscheinend schon für Kinder.

Toni scheint eher der visuelle Typ zu sein. Am schnellsten lernt sie, was sie einmal geschrieben hat. Schreiben ist inzwischen zu ihrem Lieblingsfach in der Schule avanciert. In den Spielstunden schreibt sie freiwillig Texte ab. Auf diese Weise lernt sie peu a peu Schreiben, Lesen und Englisch. Jeden Tag 2-4, zum Teil selbst konstruierte, Sätze.

Was Toni nur hört, kommt teilweise in lustigen Variationen zu Hause an. „Mama, good leg!“, ruft sie und streichelt ihr Bein. Ich bin irritiert, erkläre, dass es „Good luck“ heißt. Wir diskutieren eine Weile, Toni bleibt stur und einigen uns schließlich darauf, dass beides geht. Eben in unterschiedlichen Situationen.

Theo hingegen ist eine wandelnde Phrasenbox. Er baut im Gegensatz zu seiner Schwester kaum eigenständig Sätze bisher. Aber er wirft mit Sätzen um sich, wann immer es geht. „I can fix that.“, sagt er ruhig während ich koche. Ich schaue ihn fragend an. „Weißt du, was das bedeutet?“ – Kopfschütteln. „Come on everybody, let’s go.“ „What are you doing/ making?“ „Line up.“ „It’s my turn.“ „Here we go.“ „Stay here.“ „You can do it. Way to go.“ Sein Kindergartenalltag spiegelt sich in der Sprache.

Nur einmal hat er uns explizit nach Vokabeln gefragt. „Mama, was heißt kneifen auf Englisch?“ – „Pinch“. „Und hauen und treten und beißen und schlagen und schubsen und spucken?“ – „Theo, wofür brauchst du all diese Worte?“ – „Na, ich muss doch genau sagen können, was passiert ist, wenn mich jemand ärgert.“ Stimmt.

Geburtstagskuchen Nr. 2

Wir haben die erste amerikanisch-deutsche Geburtstagsparty erfolgreich ausgerichtet! Hurra!

Theo durfte zu seinem 5. Geburtstag so viele Kinder einladen, wie er wollte. Und lud prompt seine gesamte Kitagruppe ein. Gut 15 4-5-Jährige folgten der Einladung samt Eltern und Geschwistern. Die letzten sagten spontan noch Samstagfrüh zu, 52 Leute standen auf der Online-Gästeliste. „Philipp, back bitte noch einen Kuchen!“, bat ich ihn panisch.

Einige Wochen zuvor hatte Theo mit großen Augen bei einer Freundin eine amerikanische Geburtstagstorte gesehen: Knallbunt, knallsüß, mit Figuren und Schriftzug. Spontan rief er aus: „SO einen Kuchen wünsche ich mir auch.“ Ebenso spontan antwortete die Mutter des Geburtstagskindes: „Ihr habt heute einen Kuchen (Guglhupf!) mitgebracht, da können wir dir doch auch einen mitbringen.“

Und so durfte Theo mit Philipp zum lokalen Safeway fahren und sich durch 50 Seiten Geburtstagstorten blättern. (Das allein war das größte Geschenk!) Die Entscheidung fiel auf einen Batman-Kuchen samt Hubschrauber und Batmobil, die den Bösewicht Joker über die Kuchenkante jagen. Natürlich wünschte er sich noch einen Papa-Kuchen. Diesjähriges Thema: eine von Piraten angegriffene Ritterburg.

Das Anschneiden der Torte ist das zentrale Ereignis einer Party. Theo strahlte vor Stolz und Glück. Philipp verteilte den Kuchen.

Ich: „Theo, welches Stück möchtest du?“

Theo: „Ich ess den doch nicht! Der ist viiiiiiiiel zu süß.“

Allen anderen hat er geschmeckt. Theo futterte Guglhupf und Muffins.

Natürlich war es am Ende viel zu viel Kuchen (die Chips waren aber ratzeputzeleer). Jetzt essen wir seit Tagen Guglhupf zum Frühstück und Torte zum Kaffeetrinken. Gibt wahrlich Schlimmeres!

Deutsch-Amerikanischer Geburtstag

In Berkeley kann man öffentliche Picknickplätze günstig von der Stadt online buchen. Und da die Regenzeit bis November vorbei ist, sind Open-Air-Parties auch nicht riskant.

12.00-16.00 Strawberry Creek Park samt Bach, Wiese und Spielplatz, hier wir kommen. 3 Picknicktische standen bereit, 2 Klapptische lieh ich mir aus, blumige Plastiktischdecken und bunte Schüsseln und Snacktabletts fand ich just 1 Woche vor der Feier auf der Straße. Freitag traf ich zufällig eine Bekannte, die 52 Plastebecher besitzt. #zerowaste und so. Danke, Gott!

Deutsch an der Party waren fast alle Kuchen und Spiele. Amerikanisch waren die obligatorischen Cracker, Chips, Dips. Und die Minigurken, dachte ich. Hier wird ja alles Gemüse roh gedipt. Und einige Tage zuvor waren Gemüsegurken im Angebot. Die hier aber anscheinend niemand ungesäuert isst oder gar dipt. Tja, da haben wir alle was Neues gelernt.

Am Samstag begann ich 9.00 mit meiner Geburtstagsrunde. Zu einer Bekannten radeln und Plastebecher einsammeln. Weiter zu einer Freundin, Kind und Auto übernehmen und zur nächsten Freundin, Klapptische und Seil für die Pinata holen. Schließlich zum Safeway fahren samt Toni und ihrer Freundin. Um ein „halbes Blech“ (= ein riesiges deutsches Kuchenblech) Torte abzuholen. Während ich das Schoko-Sahne-Erdbeer-Monstrum zur Kasse balancierte, riefen mir immer wieder Menschen zu: „Happy birthday!“

Ab 13.00 sollte die Party steigen. Gegen 13.10 kamen die ersten Gäste unter der Entschuldigung, leider zu früh sein. „Berkeley-Zeit“ ist immer unpünktlich, wenn es um Partys geht. Gegen 14.00 füllte sich der Park, 14.30 waren alle Gäste da, die Torte konnte unter singen angeschnitten werden. Als ich 15.15 die Pinata eröffnen wollte, waren die ersten Kinder schon im Aufbruch begriffen. Geburtstage dauern hier eher so um die 2 Stunden.

Es sollten Spiele gespielt werden. Hatte ich mir in den Kopf gesetzt:Topf schlagen, Eier laufen, Sack hüpfen, Matchboxautos aufrollen, Perlenketten fädeln. Natürlich nicht als Wettbeweb. Das ist hier verpönt. Sondern miteinander, gegeneinander, alle gewinnen. Dem individuellen Ehrgeiz tat das witzigerweise keinen Abbruch.

Fazit der Spiele: Wir haben alle Spiele gespielt. Nur die Perlen haben Theo und Toni abends allein gefädelt. Die meisten Kinder hatten eine echt kurze Konzentrationsspanne. Alle hatten Spaß! Die Eltern konnten sich entspannt unterhalten. Theo war glücklich, fix und alle. Ein rundum perfekter Tag!

Erschöpfter Theo!

Ostern im Mission District: Auferstehungskekse

Mehr Gottesdienstbesucher (140) als Gemeindemitglieder (110) zu Ostern. Das passiert auch nur hier in Amerika!

Für unseren österlichen Familiengottesdienst waren Monika (Theologiestudentin in Berkeley) und ich für die Kinderpredigt zuständig. Also zermarterten wir uns sage und schreibe 4 1/2 Stunden das theologisch überreflektierte und praktisch untererfahrene Hirn. Einfach verständlich sollte es sein, aber nicht platt. Anschaulich, aber nicht billig. Rose von Jericho war letztes Jahr schon dran. Raupe in Schmetterling wollte ich nicht, da muss ich immer an die verfressene Raupe Nimmersatt denken. Und den Kindern geht’s vermutlich genauso. Es musste doch andere Ideen da draußen im Netz geben.

Die Ideen im Internet sind überschaubar und beschränken sich zumeist aufs anschauliche Erzählen. Ein Pastor schlug vor, den Kindern zuvor ausgeleerte Kaugummiverpackungen anzubieten. Als Beispiel für das leere Grab. Na toll, dann gehen die Kinder nach Hause und denken: „Ostern ist echt die größte Enttäuschung. Nicht mal Kaugummis.“

Unsre Rettung waren „Auferstehungskekse“. Jedes Kind erhält einen kleinen Marshmallow (Jesu Leichnam), den es in einer Teigkugel (Grabhöhle) gut und sicher versteckt. Damit niemand den Marshmallow Jesus klaut. Nach dem Backen ist der Marshmollow „verschwunden“ oder wahlweise „verwandelt“. Und wie war das mit Jesus?

In der Kirche waren alle begeistert. Auf Facebook in einer Gruppe von Pastoren nicht. „Was haben die Kekse mit Ostern zu tun?“ „Backen kann man ja immer, auch ohne biblischen Bezug.“ Stimmt. Gilt aber prinzipiell für alles, was wir mit Kindern in der Kirche machen. Basteln, wandern, lesen, diskutierten – geht alles ohne Bibel und Gott. Mit auch. Ein Hoch auf uns Pastoren!

Pädagogik-Zirkus zwischen Animation und Drill

Toni sitzt im Chor. Um sie herum toben Kinder, einige liegen auf dem Boden, es herrscht Chaos. Die Lehrerin ist überfordert (wäre hier jeder), lächelt die Situation aber weg. Verbal ausrasten darf sie nicht. Das würde ihr vermutlich eine Klage an den Hals bringen.

Mit Müh und Not bekommt sie alle Kinder dazu, sich in einen Kreis zu setzen. Dort erzählt sie ihnen mit der verzweifelten Mimik eines komisch-traurigen Clowns, wie waaahnsinnig und toll und meeeega wichtig es ist, jetzt zuzuhören und mitzusingen. Dafür, dass die Kinder ganze 2 Minuten zuhörten, kriegt jedes Kind ein „High 5“. „Ich bin begeistert von euch“, sagt die Lehrerin. Dann nimmt das Chaos wieder seinen Lauf. Die Lehrerin steigt wieder in die Rolle der Animateurin. Kurze Aufmerksam. Alles super! Chaos. Irgendwann ist die Kleingruppenprobe geschafft und alle sind fix und fertig.

Was ich hier erlebe, ist lediglich eine Überzeichnung des Umganges mit Kindern hier. Sie werden bespaßt und für jeden kleinsten Kram in den Himmel gehoben und mit Lob überschüttet. Nichts gegen Lob. Aber ein kluges Kind kapiert recht schnell die Logik: Je mehr Mist ich baue, desto weniger muss ich tun, um überschwänglich gelobt zu werden. Im Chor sind ziemlich viele kluge Kinder.

Die Rückseite dieses Januskopfes ist der militärisch anmutende Drill. Natürlich spielerisch. Mit allerlei akustischen Signalen.

„Damdadadamdam“, singt Tonis Schulleiterin in die von Kinderstimmen schwirrende Aula. Und alle Schüler antworten „Damdam“. Schon herrscht Ruhe. Ich bin ehrlich beeindruckt.

Schulleiterin: „1,2,3, eyes on me.“ Schüler im Chor: „1,2, eyes on you.“ Absolute Ruhe. (Auf dem Spielplatz rief Toni in den ersten Wochen immer „1,2,3, eyes on me.“, wenn sie die Aufmerksamkeit eines anderen Kindes wollte.)

Für alles gibt es kurze Lieder: fürs Raus- und Reingehen, in eine Reihe aufstellen, Aufräumen. (Die Liedtexte sind die längsten, grammatikalisch korrekten Sätze, die T&T sprechen können.)

Wenn bei Theo die Spielplatzzeit vorbei ist, singt die Erzieherin: „Everybody to the gate, to the gate, to the gate. Everybody to the gate. Time to go inside.“ Nach der Ostereiersuche am Karfreitag (!) änderte sie jedoch plötzlich den Text. Statt „gate“ sang sie „bench“. Theo rannte als einziger zum Tor. Er hatte nur auf die Melodie geachtet. Zweideutige akustische Signale sind echt fies.