Pädagogik-Zirkus zwischen Animation und Drill

Toni sitzt im Chor. Um sie herum toben Kinder, einige liegen auf dem Boden, es herrscht Chaos. Die Lehrerin ist überfordert (wäre hier jeder), lächelt die Situation aber weg. Verbal ausrasten darf sie nicht. Das würde ihr vermutlich eine Klage an den Hals bringen.

Mit Müh und Not bekommt sie alle Kinder dazu, sich in einen Kreis zu setzen. Dort erzählt sie ihnen mit der verzweifelten Mimik eines komisch-traurigen Clowns, wie waaahnsinnig und toll und meeeega wichtig es ist, jetzt zuzuhören und mitzusingen. Dafür, dass die Kinder ganze 2 Minuten zuhörten, kriegt jedes Kind ein „High 5“. „Ich bin begeistert von euch“, sagt die Lehrerin. Dann nimmt das Chaos wieder seinen Lauf. Die Lehrerin steigt wieder in die Rolle der Animateurin. Kurze Aufmerksam. Alles super! Chaos. Irgendwann ist die Kleingruppenprobe geschafft und alle sind fix und fertig.

Was ich hier erlebe, ist lediglich eine Überzeichnung des Umganges mit Kindern hier. Sie werden bespaßt und für jeden kleinsten Kram in den Himmel gehoben und mit Lob überschüttet. Nichts gegen Lob. Aber ein kluges Kind kapiert recht schnell die Logik: Je mehr Mist ich baue, desto weniger muss ich tun, um überschwänglich gelobt zu werden. Im Chor sind ziemlich viele kluge Kinder.

Die Rückseite dieses Januskopfes ist der militärisch anmutende Drill. Natürlich spielerisch. Mit allerlei akustischen Signalen.

„Damdadadamdam“, singt Tonis Schulleiterin in die von Kinderstimmen schwirrende Aula. Und alle Schüler antworten „Damdam“. Schon herrscht Ruhe. Ich bin ehrlich beeindruckt.

Schulleiterin: „1,2,3, eyes on me.“ Schüler im Chor: „1,2, eyes on you.“ Absolute Ruhe. (Auf dem Spielplatz rief Toni in den ersten Wochen immer „1,2,3, eyes on me.“, wenn sie die Aufmerksamkeit eines anderen Kindes wollte.)

Für alles gibt es kurze Lieder: fürs Raus- und Reingehen, in eine Reihe aufstellen, Aufräumen. (Die Liedtexte sind die längsten, grammatikalisch korrekten Sätze, die T&T sprechen können.)

Wenn bei Theo die Spielplatzzeit vorbei ist, singt die Erzieherin: „Everybody to the gate, to the gate, to the gate. Everybody to the gate. Time to go inside.“ Nach der Ostereiersuche am Karfreitag (!) änderte sie jedoch plötzlich den Text. Statt „gate“ sang sie „bench“. Theo rannte als einziger zum Tor. Er hatte nur auf die Melodie geachtet. Zweideutige akustische Signale sind echt fies.

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