Ein Fest zum Fastenbeginn: Aschermittwoch

Schon das 2. Jahr feierte die deutsche St. Matthäus Gemeinde ihren Gottesdienst am Aschermittwoch gemeinsam mit der spanisch-sprechenden lutherischen Gemeinde um Pastorin Monique. Eine echte Latina: Hübsch, gertenschlank, charismatisch, herzlich – ein laufendes Herz.

Mexikanisch-deutsch-amerikanisch-kanadisches Dreamteam: Pastorinnen und Theologiestudenten aus Berkeley und Bethel.

Aschermittwoch wird von amerikanischen Lutheranern traditionell mit einem Bußgottesdienst gefeiert, an dessen Ende alle mit einem Aschekreuz auf der Stirn gesegnet werden. Das lässt man dann den ganzen Tag drauf. Witzigerweise vergaß ich mein Stirnkreuz ziemlich schnell. Wunderte mich nur, warum ständig Menschen auf der Straße und in der Bahn mich zukamen und fragten „Ist heute Aschermittwoch?“. Abends guckten wir FoxNews. Wir wollen uns ja als gute Demokraten nicht nur in unserer eigenen Blase bewegen. Die Nachrichtensprecherin trug auch ein Aschekreuz. Und ich fragte mich: „Welche gesellschaftlichen und politischen Schlussfolgerungen ziehen Menschen hier eigentlich, wenn ich mich offen als Christin zu erkennen geben?“

Die spanische Maria-und-Marta-Kirche ist umwerfend. Ein schlichtes Kirchlein, ein großer, heller Raum, in bunten Farben angemalt. Nachts fungiert sie als Obdachlosenheim.

Verstörend wirkt der Altarraum. Ein blonder Jesus, der aussieht wie eine Mischung aus Trump (Augenpartie), Johnny Depp und Leonardo di Caprio wird von zwei lateinamerikanischen Frauen angebetet. Wahlweise ein rassistisches oder koloniales Narrativ. Darauf angesprochen, sagte Pastorin Monique: „Du hast Recht, es stört mich auch enorm. Irgendwann nehme ich mir dunkle Farbe und übermale seine Haare.“ Ich hoffe, sie macht es bald. Ich wäre gern dabei.

Der Gottesdienst selbst war ein Pfingstereignis im Kleinen. Statt einer Predigt erzählten 2 deutsche und 2 spanische Gemeindeglieder von ihren Erfahrungen mit dem Tod. Sei es durch eigene schwere Krankheit oder den Tod geliebter Menschen. Sie erzählten bewegend, wie die schweren Zeiten ihren Glauben gestärkt und verändert haben. Wir sangen, beteten und lasen auf deutsch, spanisch und englisch. Kaum einer von uns ist in Amerika geboren. Bis heute haben nicht alle die amerikanische Staatsbürgerschaft. Trotzdem repräsentierten wir Amerika, dieses Einwanderungsland, gebaut aus allen Kulturen dieser Welt und individuellen Lebensgeschichten, vereint in der Hoffnung auf ein gutes Leben.

Im Anschluss gab es ein wahres Festmahl. Burritos und Pupusas, Salat und Fleisch, Wein und Torte. Karfreitag feiern wir wieder gemeinsam. Diesmal bei uns in St. Matthäus. Ganz deutsch mit Kaffee und Kuchen.

Kultur ohne Budget? Ist möglich!

Die Bay Area bietet wirklich alles, was das Herz begehrt. Meer und Strand, Berge und Parks, grandiose Museen, Theater, Konzerthallen. Leider kostet das meiste viel. Wer hier Geld hat, kann paradiesisch leben.

Einige Tage lang war ich deshalb ziemlich deprimiert. Dann erwachte mein Kampfgeist und ich googelte zwei Nachmittage lang nach kostenlosen bzw. günstigen Freizeitaktivitäten.

Mit einer kostenlosen Bibliothekskarte bekommt man in vielen Museen einmal pro Jahr kostenlosen Eintritt. Manchmal gilt dies nur für 1 Erwachsenen, mal für 2, mal für Kinder, teilweise für die ganze Familie. Meine Exeltabelle schlüsselt mir das detailliert auf 🙂

Zudem bieten die Bibliotheken tolle Programme für Kinder: Musikstunden, chinesische Neujahrskarten basteln (Toni liebte es und verschenkte sie zum Valentinstag, Theo guckte Bücher an), Bienentag, Lego bauen – jeden Monat gibt es Überraschungen. Achso, und Bücher kann man natürlich auch nach Herzenslaune leihen. Und sogar 7 Filme im Monat streamen!

An jedem 1. Montag – Sonntag eines Monats bieten verschiedene Museen freien Eintritt, genial.

San Francisco kann man dank kostenloser Stadtführungen erkunden. Dachgärten laden zum Verweilen und Picknicken ein.

Schließlich fand ich eine Webseite, die, gäbe es sie nicht schon, von mir hätte sein können. „Funcheap“ heißt sie und informiert über kostenlose Events und verlost Eintrittskarten. Einmal hab ich schon gewonnen. Und das, obwohl ich NIE gewinne. Nicht mal bei der Tombola im Kindergarten. Hier scheint sich mein Glück gedreht zu haben. Hier gewinne ich ständig.

„Guten Appetit. You may eat!“: Gelebte Inklusion

Toni kommt begeistert nach Hause. „Mama, weißt du was die Lehrerin jetzt immer zum Mittagessen sagt zu uns? Guten Appetit. You may eat!“

Ich gucke etwas zweifelnd und frage nach. Ob Toni auch sicher ist, dass das deutsch war? Ob die Lehrerin nicht gesagt hätte „Good appetite“? Nein, Toni ist gewiss.

Einige Tage später frage ich Tonis Schulfreundin. Sie bestätigt. Zum Essen heißt es nicht mehr „Enjoy your food!“, sondern nun „Guten Appetit. You may eat!“

In meinem Donnerstagskurs lerne ich Dinge wie „das Andere normalisieren“. Toni erlebt es schon.

Einige Tage später steigt Toni wieder ganz aufgeregt aus dem Schulbus. „Heute musste die ganze Klasse auf deutsch bis hundert zählen. K. und ich haben es ihnen beigebracht.“

Kurz zuvor hatte ich gelernt, wie wichtig es für echte Gleichbehandlung aller Menschen ist, die jeweils andere Sicht einzunehmen. Wie ist es, wenn ich plötzlich „anders“ bin? Wie ist es, wenn ich, obwohl in der Mehrheit, nichts verstehe? Wie ist es, wenn eine Minderheit für eine gewisse Zeit die Regeln aufstellt? Donnerstagabend war das viel Theorie und Vorstellungsleistung. Toni lebt es.

Gestern musste ich Tonis Lehrerin einfach mal umarmen. Weil sie unglaublich ist.

Dem Himmel so nah: Highway Nr. 1!

Einen kleinen Tagesroadtrip hatten wir uns vorgenommen. Die Kinder waren mit aufgeladenen MP3-Playern ausgerüstet, Sandwiche geschmiert, Flaschen gefüllt.

Fürs echte US-Trip-Feeling spendierte Kathrin eine Runde Starbuckskaffee (riesig, zuckersüß, oberlecker, Theo trank meinen Latte zur Hälfte, weil er wie Kakao schmeckte). Starbucks ist laut einer Umfrage der Coffeeshop der Liberalen in Amerika.

Nur tanken wollten wir noch schnell. Also suchten wir die günstigste Tankstelle in der Umgebung (die Preise für 1 Gallon variieren zwischen z.Z. zwischen $3,09 und $4,90).

1. Überraschung: Barzahlung ist 10 Cent billiger pro Gallon. 

2. Überraschung: Gezahlt wird vorher. Entweder man kennt sein Tankvolumen gut und kann rechnen. Oder man zahlt halt zu viel. Oder zu wenig und fährt mit halbem Tank weiter. 

Bei strahlendem Sonnenschein und bitterkaltem Wind sausten wir die Küste entlang von San Francisco nach Santa Cruz. Mit Automatik und Tempomat hatte selbst ich als Fahrerin Spaß.

Und sollte ich vorher noch an meinem Lebensglück hier gezweifelt haben angesichts der horrenden Preise, hat mich die umwerfende Natur versöhnt. Über seichte Anhöhen fuhren wir gen Meer. Steile Bergstraßen führten uns in Serpentinen in luftige Höhen. Alpenerinnerungen wurden geweckt. Eine Achterbahnfahrt ging hinab ins Tal. Und da lag der Pazifik vor uns. Blau, klar, mit steifer Brise und frischer Luft. Fast wie zu Hause.

Ein herrlicher Sandstrand erstreckte sich vor unseren Augen. Geparkt wird direkt hinter den Dünen. Treibgut, Muscheln, Steine, windgeschützte Nischen und schroffe Felsen sind hier auf engstem Raum beieinander. Wären wir nicht auf nem Roadtrip gewesen, hätten wir hier den Rest des Tages bleiben können.

Aber weiter. Vorbei an Erdbeer- und Kürbisfeldern, Restaurants und Wäldern.

Plötzlich ragt ein Leuchtturm auf: Pidgeon Point. Nordseeinselidylle. Das Meer brandet mit Wucht an die Felsen, Robben sonnen sich in der Nähe, die Luft schmeckt erstaunlich wenig nach Salz. Ein Ort zum Träumen und Sitzen und Bleiben. 

Wir wollen weiter nach Santa Cruz. Zu Dunkin Donut. Laut derselben Studie der Coffeeshop für Republikaner in den USA. Geschmack haben sie. Die Donuts sind fantastisch und der Kaffee ist der beste, den wir in der ganzen Woche tranken. 

Gestärkt geht’s an die malerische Küste von Santa Cruz. Surfer zeigen, was sie können, Paare und Familien flanieren den Strand entlang und fliehen schließlich vor der hereinkommenden Flut. Die letzten Stufen der Treppe zum Strand sind zusammengebrochen. Man hilft einander beim Springen und Klettern, reicht sich Kinder, Hunde, Essen zu. Als wir wieder hochklettern wollen, bauen 5 Männer gerade einen Treppenersatz aus Babyfelsen. Just do-it-yourself! 

Als die Sonne untergeht, hab ich ein Gefühl von Italien und Capri und Glück pur. Einzig getrübt durch das Wissen, dass der Parkplatz mit Sonnenuntergang schließt. Was genau heißt das? Unruhig gucken wir zu unserem Auto. Letztlich passiert nichts, die Dunkelheit bricht ein, Jugendliche kommen zum Feiern.

Und wir brausen zurück über Berge und Autobahnen quer durchs Land nach Hause. Mit kleinem, spontanem Abstecher in Sa Jose, um Sarah und ihre Familie zu besuchen.

Fazit:

Wir leben an einem Ort, an dem sich alle Vorteile von München und Rostock vereinen.

Demokraten trinken ihre Kalorien lieber, Republikaner essen sie. Ich bin dann kulinarisch wohl eher rechts hier. Verwirrend.

Mit Auto macht das Leben hier noch mehr Spaß.

Nächstes Mal wollen wir Wale sehen!

Heimatgefühl!
Lebensglück pur! Für Mensch und Hund.

Auto fahren in Kalifornien

Ich hab’s getan! Ich bin Auto gefahren. Automatik! Ohne Navi.

Als ich den Leihwagen abholte, kam ich mir vor wie im Film. Nagelneuer Wagen. Schlüssel wird nicht mehr reingesteckt, sondern muss sich nur im Auto befinden. Aber Achtung, wenn man ihn aus Versehen im Auto lässt, aussteigt und die Türen schließt, wird das Auto automatisch verschlossen.

Mit nur 2 Pedalen fuhr es sich erst furchtbar. Ständig produzierte ich Vollbremsungen, weil mein linker Fuß kuppeln wollte. (Wer hätte das gedacht, dass selbst ich über muskuläre Fahrerinnerungen verfüge.)

Am nächsten Tag musste ich Kathrin vom Flughafen abholen. Panisch bat ich Philipp, mich als Beifahrer zu unterstützen. Und so sausten wir über die nächtlich funkelnde Baybridge. Philipps Ansage „Und jetzt 16 km auf der Autobahn bleiben.“ entpuppte sich als Trugschluss. Bei 5-7 Spuren ist „bleiben“ eine Herausforderung. Ständig kommen Spuren hinzu, werden die rechten 2 zur Ausfahrt, teilt sich die Autobahn. Erschwerend ist zudem, dass von links und rechts legal überholt werden darf. Und da die Amerikaner die rechten Spuren zu meiden scheinen, sind dies häufig die freien, schnellen.

Zum Glück kämpfen alle mit denselben Problem. Also wird gedrängelt, geschnitten, abgedrängt wo es nur geht. Nachdem ich mich einmal daran gewöhnt hatte, spielte ich einfach mit. Dank Automatik kein Problem.

Anfahren am Berg. Kein Problem. In den Straßen von San Francisco ein Segen. Einparken. Kein Problem dank Rückkamera und unüberhörbarem Piepen.

Überhaupt ist das Einparken hier viel leichter. Denn die Parkplätze sind schlicht breiter. Die normale, europäische Größe gilt als „compact“ für Kleinwagen. Selbst das seitliche Einparken ist machbar, da zwischen zwei Einfahrten meistens 2 Autos passen. Also kann ich entweder gemütlich vorwärts oder rückwärts reinrollen.

Auch die STVO ist für Dummies geschrieben. Rechts vor Links? Ist zu kompliziert. Wer weiß schon zuverlässig, wo rechts ist? (Ich nicht.) Also stehen hier in Berkeley ca. 1 Mio. Stoppschilder. Die Zahl ist nicht übertrieben. An jeder Kreuzung stehen entweder 2 Stoppschilder oder 4. Entweder müssen alle Autos anhalten oder eine Straße hat also Vorfahrt. Als Fahrradfahrerin halte ich das für die uneffektivste Art, den Verkehr zu regeln. Als Autofahrerin hab ich es schätzen gelernt. Man muss nämlich quasi nicht denken. Nur gucken. Bremsen. Fahren.

Vorfahrt hat, wer als erstes angehalten hat = Rasen, Vollbremsung, Hochstart, Rasen, Vollbremsung usw.

Dieses Wochenende haben uns Freunde ihr manuell zu schaltendes Auto geliehen… Mal sehen, wie das wird. Philipp fährt leider nicht, weil sein Führerschein noch auf seinen Geburtsnamen ausgestellt ist. Das ist ihm nach knapp 6 Jahren Ehe erst hier aufgefallen…

Immigration und der amerikanische Traum

Letzte Woche gewann ich Tickets zu einer Veranstaltung der New York Times. Es ging um Immigration in die USA. Auf dem Podium saßen 2 Journalisten, 1 Anwältin für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge und 1 Frau, die sich mit ihrer NGO um „illegale Bürger“ in den USA kümmert.

Das Ziel des Abends: Immigranten eine Geschichte geben, über Schwierigkeiten der Einwanderung und rechtliche Schritte aufklären.

Die USA erleben seit Jahren illegale Einwanderung aus Mittel- und Südamerika. Trumps Lösung ist die berühmt-berüchtigte Mauer, derentwegen wir hier z.Z. im nationalen Notstand leben. Kamen bisher zumeist junge, arbeitssuchende Männer, machen sich nun immer mehr Familien auf die gefährliche Reise und bilden große Karawanen.

Aber was passiert eigentlich mit den Menschen, die an der Grenze oder in den USA illegal aufgegriffen werden? Manche werden direkt abgeschoben, viele beantragen Asyl, werden abgelehnt und dann abgeschoben. Andere tauchen zwischendurch unter. Am schlimmsten ist es für die unbegleiteten Kinder. Für sie gibt es ein vierstufiges System: Zuerst landen sie in einigermaßen gut organisierten Heimen. Ohne Psychotherapie für die oft mehrfach traumatisierten Kinder. Wer sich daneben benimmt, kommt in ein strengeres Heim. Wer nochmals Regeln bricht, landet im Jugendgefängnis. Hier sind die Kinder bis zu 23 Stunden am Tag in ihren Zellen. Elektroschocks und Einzelhaft sind übliche Sanktionen. „Das ist für viele genauso traumatisierend wie all das Schlimme, vor dem sie geflohen sind.“, erklärt die Anwältin. „Die psychischen Schäden, die unser Rechtssystem diesen Menschen zufügt, sind irreparabel!“

In Amerika ist man mit 13 strafmündig. Theoretisch haben die Kinder das Recht auf Anwälte, praktisch stehen die meisten irgendwann allein vor dem Richter. Denn der Staat stellt keine Pflichtverteidiger, die NGOs sind mit der Zahl der Fälle heillos überfordert. Aufgrund der hohen Zahl werden inzwischen Militärbasen umgenutzt als Auffanglager für Minderjährige.

Das System soll abschrecken. Tut es das? Ein Journalist begleitete eine der riesigen Karawanen über Monate. Er erzählt: „Die Leute wissen, was sie erwartet. Aber sie können es sich nicht vorstellen.“ Viele hofften, dass ihr Wunsch, in Amerika hart zu arbeiten, die Herzen der Grenzbeamten erweichen würden.

Wer es unbemerkt über die Grenze schafft, lebt fortan illegal in den USA. Und das teilweise ein ganzes Leben lang. Denn es gibt keinen legalen Weg, vom illegalen zum rechtmäßigen Bürger dieses Landes zu werden. Oder, wie es die Anwältin formulierte: „Mein Großvater kam mit dem Schiff aus Russland, schrieb seinen Namen auf ein offizielles Stück Papier und war Amerikaner. Diese Möglichkeit besteht heute nicht mehr.“

Die ca. 11 Millionen „illegalen US-Bürger“ leben, studieren, arbeiten hier. Besonders hart trifft es all diejenigen, die als Kinder illegal in die USA kamen. „Dreamer“ werden sie genannt. Sie kennen keine andere Heimat als die USA, das Land ihrer Staatsbürgerschaft haben sie nie wieder besucht. Von ihnen berichtete die NGO-Leiterin.

Interessant war, welche Geschichten sie wählte.

  1. Die Geschichte von Mary. Als Kind in die USA gekommen mit ihren Eltern. Nach der Highschool fing sie an zu studieren. Ein finanzieller Notfall in der Familie zwang sie zur Entscheidung: der Familie helfen oder studieren? Sie wählte die Familie. Jetzt ist sie 35 und will ihren Traum, Mathelehrerin zu werden, wahr werden lassen. Dafür studiert sie an der Abenduni, arbeitet 40 Stunden pro Woche für den Lebensunterhalt von sich und ihren beiden Kindern. Manchmal sei sie der Verzweiflung nahe. „Aber dann sagt sie sich: Ich muss es schaffen. Ich muss meinen Kindern zeigen, dass es nie zu spät ist für einen Neuanfang.“
  2. Die Geschichte von einem Studenten, der Biochemie in Stanford studierte und mit Bestnote abschloss. Als Illegaler darf er jedoch nicht in seiner Profession arbeiten und muss weiterhin Teller waschen und kellnern. Er bekam ein Promotionsstipendium aus Oxford und lebt nun seit 2 Jahren dort, hat inzwischen die britische Staatsbürgerschaft. In die USA darf er nie wieder einreisen. Seine Eltern wird er also erst wiedersehen, wenn sie endgültig zurück nach Mexiko gehen.

Die 1. Geschichte berührte emotional, die 2. Geschichte führte im Publikum zu merklicher Unruhe. Beides sind Geschichten des amerikanischen Traumes. Geschichten von hart erarbeitetem Aufstieg an deren Ende der Erfolg stehen sollte. Abschlüsse und Geld – das zählt hier. Und zu hören, dass einem Menschen trotz bester Ausbildung die Türen verschlossen bleiben, rüttelt an den Grundfesten dieses Landes.

Fetter Dienstag oder Pancake Tuesday

Faschingsdienstag heißt hier „Marti gras“ oder auch fetter Dienstag. Bevor die Fastenzeit beginnt, müssen Fett und Eier verbraucht werden. Die beste Lösung: dicke, saftige Pfannkuchen. Zu genießen mit Butter und viiiiiiel Sirup. Also ungefähr so wie unser samstägliches Frühstück 🙂

Meine Freundin Mary geht dafür einmal im Jahr in ein französisches Café in Berkeley. In diesem Jahr lud sie mich ein, nach einem wunderschönen anglikanischen Gottesdienst, mitzukommen.

„It’s Pancake Tuesday“, begrüßt sie den Kellner. „Yes, it is.“ Und wirklich. Das Café ist gut gefüllt. Auf den meisten Tellern liegen dampfende Pfannkuchen. Ich entscheide mich für die „Ingwer-Zitronen-Blaubeer“-Variante. Himmlisch.

Seit heute habe ich eine neue Tradition.

Austauschschülerleben 2.0

Es ist mal wieder so weit. Ich darf mich wie eine Austauschschülerin fühlen. Ohne mich an die Regeln von Gastfamilien halten zu müssen und ohne Zensuren. Herrlich!

An der Uni Berkeley studieren und arbeiten Menschen aus aller Welt. Um den mitreisenden Partnerinnen (fast immer) und wenigen Partners das Ankommen zu erleichtern, gibt es ein extra Programm. Wir werden zu Arbeitsvisafragen informiert, erhalten kostenlose Karriereberatung (Das mach ich auf jeden Fall! Vielleicht kann ich eine Karriere in der Personalberatung starten.) und wir werden kulinarisch und kulturell unterhalten.

Jeden Freitag gibt es ein Treffen in einem Café zum lockeren Kennenlernen und Austausch. Zweimal im Monat ist thematischer Abend.

Letzten Dienstag besuchten die Kinder und ich einen chinesischen Kochkurs und lernten, wie man traditionelle gefüllte Neujahrsknödel zubereitet und süßen Wildreis mit Datteln. Toni und Theo probierten, befanden es für ungenießbar und stürzten sich auf den gekauften Schokogeburtstagskuchen…

Jeder von uns ist eingeladen, einen Abend zu gestalten. Räume werden gestellt, Ausgaben erstattet. Ich überlege schon, worauf ich Lust habe. Apfelstrudel backen vielleicht. Oder Klopse drehen. Oder Mamasalatdressing. Oder Laternen basteln im Herbst mit anschließendem Umzug. Mal schauen.

Nächste Woche lernen wir armenische Tänze.

Betreuungsschlüssel: Traumhaft

Ich bin hellauf begeistert von Tonis Schule. Eine öffentliche in Berkeley wohlgemerkt. Und öffentliche Schulen haben hier eher einen schlechten Ruf. Weshalb reiche Eltern ihre Kinder auf sauteure Privatschulen schicken. $25.000 im Jahr für die Bildung des Nachwuchses. Dort sitzen dann 6-8 Schüler mit 2 Lehrern in einem Klassenzimmer und werden individuell gefördert. Nicht schlecht, aber ehrlich gesagt finde ich schon den normalen Schulbetrieb hier luxuriös.

In Tonis Klasse sitzen 23 Schüler. 1 Klassenlehrerin betreut die Klasse in allen Fächern. 3 Schulbegleiterinnen kümmern stets sich um die Inklusionskinder. Fächer wie Musik, Kunst, Sport, Tanzen und Gärtnern unterrichtet ein Fachlehrer gemeinsam mit der Klassenlehrerin.

Einige Mütter helfen dazu noch regelmäßig im Unterricht mit. Zu besonderen Anlässen, wie dem 100. Kindergartentag letzte Woche, wurden weitere Eltern gebeten, 1 Stunde lang die Schule zu unterstützen.

Also saß ich an einer Station mit 5-6-Jährigen und half ihnen dabei, aufzuschreiben, was sie schon 100x gesehen, gegessen, gezählt haben.

Damit bin ich jetzt wohl offiziell eine echte amerikanische „volunteering“-Mama!!!

Applaus fürs Publikum

Die beste aller Schwestern (nämlich meine) schenkte uns zu Weihnachten einen Konzertbesuch in San Francisco. Damit wir unseren Kulturbedarf nicht vergessen. 3 Wochen hatten wir also Zeit, um einen deutschsprachigen Babysitter für unsere Kinder zu finden. Dank Facebook kein Problem!

Also, auf ins Konzert! Die Davis Hall ist im politischen Zentrum der Stadt. Ein strahlendes Gebäude, von außen eher unscheinbar in UFO-Form. Eine kleine Garderobe lädt die Besucher ein, ihre Mäntel und Taschen abzugeben. Zum Glück entschieden wir uns angesichts der knappen Zeit dagegen. Denn es gibt anscheinend wirklich nur die eine Garderobe. Vor der sich eine ewig lange Schlange bildete nach dem Konzert. Fast wie in der Elphi, nur dass man da gar nicht erst zur Garderobe kommt ohne Fahrstuhl oder viiiiiiele Treppen steigen. Vielleicht ein Mittel der Kommunikationsförderung unter den Besuchern?

Der Konzertsaal erinnert stark an die Elphi in kleinerer Form. Die Ticketpreise können auch mithalten.

Bevor das Konzert begann, betrat ein Orchestermitglied die Bühne. Er hielt eine Lobeshymne auf das Publikum: „Ihr seid das beste und treueste Publikum der Welt. Ohne euch wäre all das hier nicht möglich. Wir sind euch so dankbar!“ Am Ende der Rede spendete das gesamte Orchester den Zuschauern Standing Ovation. Eine schöne Geste samt kurzzeitiger Umkehr der Verhältnisse.

In der Pause machte ich ein paar schöne Entdeckungen:

  1. 1 Glas Wein kostet $12, dafür kommt es auch im Plastebecher!
  2. Getränke dürfen im Wegwerfbecher samt Deckel mit in den Saal genommen werden. Bei den Preisen verständlich!
  3. Der Blick aufs Rathaus ist gigantisch.
Das Rathaus von San Francisco! Vielleicht bekomme ich irgendwann mal die Gelegenheit, dort ein deutsches Paar zu trauen! Bei Interesse bitte melden!!!! 🙂

Ach so, das Konzert war wunderschön! Der hocherwürdige Herbert Blomstedt dirigierte. Ich habe noch nie eine so klassisch klar dirigierte Pastorale von Beethoven gehört. Traumhaft.