Prinzip „Petzen“ oder Autoritär ohne Autorität

Wenn ich Theo aus dem Kindergarten abhole, versuche ich möglichst wenig Kontakt zu den Erzieherinnen zu haben. Am besten Lächeln, Anziehen, Raus, Durchatmen!

Nein, ich habe keine Autoritätsphobie entwickelt. Aber ich mag es nicht, wenn mir schlechte Dinge über meine Kinder erzählt werden. Also, wenn Theo ein anderes Kind verprügeln oder anspucken würde, wüsste ich das schon gern. Aber, dass er ein Stück vorgelaufen ist beim Spazieren gehen und nicht gleich reagiert hat aufs Rufen, ist mir ehrlich gesagt egal. Da erwarte ich von Erzieherinnen Durchsetzungsvermögen, Autorität, Konsequenzen. Zur Not nonverbale.

Hier gilt hingegen das Prinzip „Petzen“. Strafe bedeutet: Ich sag es deinen Eltern. (Das hat mich als Kind schon nicht beeindruckt.)

Erzieherin: „Theo wollte sich heute nicht zudecken beim Schlafen. Und er ist aufgestanden während der Mittagsruhe und hat sich neue Bücher geholt.“

Ich: „Hm, ja. Theo, warum nimmst du keine Decke?“ (Ich denke: Ist das ihr Ernst? Ist doch vollkommen egal.)

Theo: „Mir ist zu warm.“

Ich: „Also Theo möchte keine Decke zum Schlafen, er schwitzt dann. Er schwitzt immer beim Schlafen.“

Erzieherin: „Ja, aber alle Kinder haben hier ihre Decke.“

Ich: „Ja, Theo mag sie nicht. Theo, warum bist du aufgestanden?“

Theo: „Ich wollte mir Bücher holen, ich hatte schon alle angeguckt.“

Ich: „Theo ist aufgestanden, weil er sich neue Bücher holen wollte“

Erzieherin guckt langsam unwirsch.

Ich: (merke, dass ich jetzt die Situation retten muss): „Aber ich sage Theo, dass er liegen bleiben muss und von ihnen neue Bücher bekommt.“

Ich demonstrativ zu Theo: „Theo, du musst liegen bleiben und warten. Du musst auf die Erzieherin hören.“

Theo: „Das ist blöd.“

Ich: „Ja.“

Ich (zur Erzieherin): „Ich habe ihm gesagt, dass er auf Sie hören muss, auch wenn er nicht mag.“

Erzieherin geht zufrieden weg.

Erst dachte ich, es läge an der Sprachbarriere. Dann erlebte ich letzte Woche folgende Szene. Zwei Mädchen saßen auf ihren Klappbetten und hatten partout keine Lust, diese aufzuräumen. Mary bat sie zum wiederholten Male. Sehr freundlich. (Hier wird NIE rumgeschrien oder auch nur die Stimme erhoben gegenüber Kindern. Der Ablauf ist: Freundlich, freundlich, petzen, freundlich, Kind landet vor der Tür.) Ich harrte der Dinge, die da kämen. Nichts geschah.

Demonstrativ ging Mary 10 Schritte zu ihrer Kollegin Kathy und sagte zu ihr: „X und Y wollen ihre Betten nicht aufräumen.“ Mary kam wieder zurück und erklärte den beiden Mädchen: „Ich habe euch bei Kathy verpetzt. Jetzt bekommt ihr Ärger.“ X und Y nahmen ihre Betten und trotteten zu Kathy.

Das Verrückte: Gefühlt herrschen viel mehr Regeln in der Kita . Dafür darf man mit Schuhen, auf Socken oder barfuß umherlaufen und während der Mahlzeiten aufstehen. Oberstes Gebot: Befolgen, was die Erzieher sagen.
Keine von Theos Stärken. Autoritäre Leitung ohne konseuquente Autorität. Irgendwie schwer ernstzunehmen, da muss ich Theo zustimmen.

Als ich das Erlebnis einer Bekannten erzählte, lachte sie nur und meinte: Das bleibt so! Wenn einer ihrer Mitarbeiter unzufrieden sei, wende er sich stets an die Personalabteilung. Die rufe dann bei ihr an und bringe die Beschwerde vor. Direkte klärende Gespräche seien höchst selten. Andersherum werde das von ihr auch erwartet, sie halte sich nur nicht dran.

In Theos Fall sind wir Eltern also die Personalabteilung. Nur dumm für die Kita, dass ich natürlich immer auf Theos Seite bin. Nun wurschteln wir uns so durch und überlegen zu Hause alle gemeinsam, welche Regeln Theo unbedingt einhalten muss. Und welche er wie klug umgehen kann.

Theos soziale Intelligenz wird definitiv trainiert. Als ihn letzte Woche ein Junge anspuckte, sagte er es den Erziehern. Der andere bekam Ärger. Alles gut. „Aber“, so Theo, „Jacob haut alle, den hauen auch alle zurück. Ich lass mich doch nicht verprügeln.“ Stimmt auch irgendwie. „Lass dich nur nicht erwischen, Theo!“ Theo grinst.

Wer trägt soziale Verantwortung? Teil II

Für den guten Zweck kann man hier überall spenden. Per Scheck in der Kirche. Per Paypal für den Chor und die Schule. Fundraiser und Versteigerungen erleichtern das Geld geben. 

An den verschiedensten Orten sind Bürger zu Sachspenden aufgerufen für Bedürftige. Binden und Tampons für Obdachlose. Lange haltbares Essen.

Und die Menschen geben! 

Das ist wundervoll. Gleichzeitig ist es eigentlich unfassbar: in einem reichen Land wie Kalifornien sind so viele Menschen so arm, dass sie sich nicht einmal das Nötigste leisten können. Das Sozialsystem versagt. Ganze Familien leben auf der Straße oder in ihren Autos. Leider keine Einzelfälle. Man muss nicht arbeitslos sein, um sich hier keine Wohnung leisten zu können. Teilweise herrschen Zustände wie in Entwicklungsländern.

Ich frage mich, was in den USA mit den Steuern geschieht. Denn die Lohnsteuer ist nicht so gering wie erwartet. Philipp zahlt 25% seines Gehaltes, der Spitzensatz liegt bei 39,6% in Kalifornien. Der Unterschied zu Deutschlands 42% ist also verhältnismäßig überschaubar. Was hingegen quasi fehlt sind all die Sozialabgaben. Dafür müssen sich hier selbst staatliche Schulen durch Elternspenden bezuschussen lassen. Je reicher die Eltern, desto besser die Schule, desto reicher die Eltern, die ihre Kinder auf diese Schule schicken…

Tonis Chor besucht am nächsten Wochenende arme Familien und bringt ihnen Musik und Gegenstände des täglichen Bedarfs: Taschentücher, Stoppersocken, Creme und Seife. All das, was wir zu Weihnachten in Pakete gen Osteuropa stecken. Hier beginnt Osteuropa 10 Straßen entfernt von uns. Wo die Menschen in Garagen und VW-Bussen und Schrottvans leben.

Sei deines Glückes Schmied heißt hier auch: Hilf denen, die dir am Herzen liegen. Sozialabgaben erfolgen freiwillig und individuell in Form von Spenden.

Letzte Woche schrieb ein Vater in meiner Nachbarschaft: „Ich habe gerade erfahren, dass ein Klassenkamerad meines Sohnes (5) mit seiner Mutter auf der Straße lebt. Ich will den beiden helfen.“ Er initiierte „FundMe“ für die beiden, eine Website, die Geld für Bedürftige sammelt. Innerhalb weniger Tage waren $8000 Dollar zusammen. Genug, um einen Kleinbus zu kaufen oder eine Mietkaution zu hinterlegen. Die meisten spendeten zwischen $25-$100. Manche mehr. Auf der NachbarschaftsApp „Nextdoor“ boten Menschen konkrete Hilfe an: Ein Bett für die verregnete Nacht, eine Dusche, eine Mahlzeit, Kleidung. 

Vieles ist hier möglich, wenn man will. Ich habe das Gefühl, dass es hier

1) leichter ist, Menschen für Projekte zu begeistern. Man weiß, dass man sich auf den Staat nicht verlassen kann. Also tut man, was man kann.

2) leichter ist, in kurzer Zeit viel Geld zu sammeln. Wenn der Zweck die Menschen emotional berührt.

Wie schön wäre es, wenn wir in Deutschland unseren Sozialstaat mit dieser Haltung verbinden würden.

Wer trägt soziale Verantwortung? Teil I

Meine Antwort. Wir: Jeder Einzelne von uns. Wir gemeinsam: Die Gesellschaft. Die von uns für uns gewählten Menschen: Der Staat. Das wäre mein Idealfall. Wenn Staat, Gesellschaft und ich mit offenen Augen und Herzen den Menschen begegneten und hülfen, die Unterstützung benötigen. Wenn institutionelle und
individuelle Hilfe zusammenkämen.

In Deutschland haben wir ein ziemlich gut funktionierendes Sozialsystem. Klar, es gibt Mängel, Hartz IV beantragen ist ätzend, ich weiß das aus eigener Erfahrung, es könnte und müsste gerechter verteilt werden. ABER im Vergleich zu den USA ist Deutschland das reinste soziale Paradies. Für mich definitiv ein Grund, langfristig in Deutschland zu leben. Denn die Gefahr, hier irgendwann in Armut zu enden, sei es durch Krankheit, Jobverlust, Immobiliencrash, Zusammenbruch der Finanzmärkte, ist allgegenwärtig. Jeder unbefristete Arbeitsvertrag kann hier ohne Angabe von Gründen innerhalb von 2 Wochen aufgelöst werden. Interessante Interpretation von „unbefristet“.

Das Sozialsystem in Amerika darf nicht einmal so genannt werden. 1) weil es quasi nicht existiert. 2) weil „sozial“ immer gleich mit „sozialistisch“ gleichgesetzt wird. Und da bekommen die Amerikaner traditionell Pickel im Gesicht und Schweißflecken unter den Achseln. Manchmal hab ich das Gefühl, „socialism“ ist das neue kommunistische Feindbild. Der „McCarthysm“ des 21. Jahrhunderts. (In den 1950ern wurden in den USA Kommunisten verfolgt, führender Kopf war McCarthy.) Im gerade beginnenden Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft 2020 werben linke demokratische Bewerberinnen mit „sozialistischen“ Ideen wie allgemeiner Krankenversicherung, Arbeitslosengeld, kostenloser Schulbildung. Für die Republikaner ein massiver Eingriff in ihre amerikanischen Grundrechte, die da heißen: Ich bin für mich ganz allein verantwortlich. Für mein Glück wie für mein Unglück.

Wildlife in the City

„Achtung, Puma auf dem Campus gesichtet! Wenn Sie einen Puma sehen, bringen Sie sich in Sicherheit und rufen Sie die Polizei.“ Als Philipp von dem Schild erzählte, musste ich lachen. Kurze Internetrecherche. Dann packte mich ein Schrecken. Im vergangenen Herbst wurde vor den Toren von Theos Kita tatsächlich ein Puma gesichtet. Eigentlich wohnen die etwas weiter nordwestlich in den Bergen.

Mir reichen schon die wilden Tiere, die mir hier begegnen. Truthennen spazieren in Vorgärten herum (zu Thanksgiving sollen Theo und Philipp uns bitte eine fangen). Füchse halten ihr Mittagsschläfchen auf Gartenstühlen. Waschbären durchwühlen Mülltonnen nach Essbarem. Ziesel flitzen über die Wiesen. Eichhörnchen machen unserer Hände Gartenarbeit zunichte, graben Samen aus, knabbern erste Blätter ab und zerbrechen dabei Blumentöpfe. All unsere Anpflanzungen in Töpfen stehen jetzt in unserem Wohnzimmer.

Truthennen beim Fressen in Nachbars Vorgarten. Thanksgiving kommt schneller, als man denkt.

Als ich eines Nachts vom Chor nach Hause radelte, erblickte ich plötzlich 4 Waschbären in 40 Zentimeter Entfernung. Ich steh ja nicht besonders auf unangeleinte Tiere, die größer sind als mein Handteller. Ergo erschrak ich so fürchterlich, dass ich den Lenker herumriss und ihnen direkt in die Augen leuchtete. Da verzogen sie sich unter das nächste Auto.

Stinktiere hab ich bisher zum Glück nur von weitem gerochen.

Oh, my Valentine!

Seit diesem Jahr liebe ich den Valentinstag. So, wie er hier gefeiert wird. Ein Tag der organisierten und absolut kommerzialisierten Liebes- und Freundschaftserklärungen. An alle, egal ob Freund oder nerviger Klassenkamerad oder gar Feind.

Vor zwei Wochen erhielten wir aus Schule und Kindergarten jeweils Listen mit den Namen aller Kinder aus Tonis Klasse und Theos Gruppe. Dazu der Hinweis: Falls ihr Kind Valentinskarten verschicken möchte. Naiv dachte ich: Ok, man schreibt seinen Freunden. Eifrig zählte Toni ihre Freunde auf und Theo suchte sich erstmals welche. Eine andere Mutter klärte michüber meinen Irrtum auf. Jeder schreibt jedem innerhalb einer Klasse. Super Schreibübung.

Also ab zu Target, Karten kaufen. Motive: Peppa Wutz, Spiderman, The Incredible. Wahlweise mit Magnet, Bleistift, Tattoo oder Aufkleber.

Aus pädagogischer Sicht finde ich das Gießkannenprinzip der Liebe sinnvoll. Gar geboten. Es verhindert lebenslange Traumata („Ich habe schon mit 5 als Einziger nur eine Valentinskarte bekommen. Und die war von meiner Mutter.“) und untergräbt den Wettbewerb um die meisten Liebesbekundungen.

Verändert eine Valentinskarte, die vielleicht nicht einmal ehrlich gemeint ist, ein Leben? Keine Ahnung. Was Toni und Theo lernen werden: Aast mit Liebe. Aast mit Komplimenten. Verbreitet Freude! Liebt wenigstens an einem Tag im Jahr alle Menschen, die per Zufall in euer Leben gepurzelt sind! Eure Freunde, eure Feinde und die, die euch sowas von egal sind. Und freut euch über all die Karten, die ihr bekommt. Von euren Freunden, euren Feinden und denen, die euch sowas von egal sind. Liebe heißt nicht nur romantisches Candellight-Dinner (obwohl es mal wieder schön wäre). Liebe beginnt noch nicht einmal immer im Herzen. Manchmal braucht sie etwas Nachhilfe vom Kopf. Vor allem bei nervigen Mitmenschen.

Ich glaube an die Macht von Worten und Zeichen. Selbst, wenn sie leer sind. Selbst, wenn ich das, was ich schreibe, (noch) nicht fühle. Aber der Anfang ist gemacht. Eine Minibrücke aus gekauften Herzen und kitschigen Karten ist geschlagen.

Oder, wie Paulus schreibt: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu…“ (1 Kor 13,4-5)

Marihuana oder Stinktier?

Das Positive zuerst. Torkelnde, alkoholisierte Menschen begegnen einem hier erstaunlich selten. Das ist angenehm. Zigarettenrauch schwebt so gut wie nie in der Luft. Auch angenehm.

Dafür duftet, riecht, stinkt es nach Marihuana. Abends auf den Straßen von Berkeley und auf dem Unicampus. Zu jeder Tages- und Nachtzeit in der S-Bahn. Sonntag Morgen auf dem Weg zur Kirche in San Francisco.

In der S-Bahn ist der Geruch z.T. so heftig, dass ich erstmal googelte: „passiv kiffen Folgen“. Zum Glück entwarnen Studien. Solange der Raum durchlüftet sei, entstünden keinerlei nachweisbare Folgen. Puh! Sonst hätten wir uns für Familienausflüge ein neues Fortbewegungsmittel suchen müssen.

Selbst mitten im Wald roch es letztens akut nach Marihuana. Wir saßen im Auto mit einem Bekannten. Ich fragte, was das für ein Gestank sei. „Stinktier“ lautete die lapidare Antwort. Zu riechen im Umkreis von bis zu 4 km, je nach Windrichtung. Denn hier lebt der Gestanksrekordhalter unter den Stinktieren: Der Streifenskunk. Entweder, Stinktiere riechen immer so oder die kalifornischen Tiere sind alle bekifft.

Kiffen ist laut Bundesstaatengesetz seit 1.1.2018 legal in Kalifornien. Das US-Gesetz stellt hingegen Kiffen unter Strafe. Ein guter US-Bürger sollte immer im Einklang mit allen Gesetzen leben.

Ganz ehrlich: Mir sind die vielen fröhlich grinsenden Kiffer auf Berkeleys Straßen definitiv lieber als Besoffene. Ich habe nämlich noch nicht erlebt, dass ein Kiffer herumgepöbelt hätte.

Toni und Theo können jedenfalls später nie behaupten, sie wüssten nicht, was sie da riechen oder rauchen.

Es lebe der Schulbus!

Ich bin bekennender Fan von Schulbussen. Und frage mich, warum wir solche in Deutschland nicht haben. Das System ist für alle genial.

Für die Kinder: Sie kommen sicher in der Schule an und auch sicher wieder zurück. Im besten Fall treffen sie ihre Freunde auf der Fahrt.

Für die Eltern: Kein Herumgegurke mit den Öffentlichen, keine SUV-Staus vor der Schule, keine Fahrradtouren mit dem Kind zur Schule. Stattdessen: Kind zur nächsten Schulbushaltestelle bringen (in unserem Fall 250m), zum Abschied mit der Kaffeetasse in der Hand winken und das Kind in 6 Stunden an derselben Stelle wieder abholen. Wenn ich zu spät komme, wartet der Bus sogar. Jedenfalls beim Abholen. Sogar die Nachmittagsbetreuung kann auf diese Weise organisiert werden. Denn der Schulbus transportiert Kinder auf Anfrage auch zu ihrem Kunstkurs usw.

Für die Stadt: Das sogenannte „Busing“ verhindert Schulghettos in ärmeren Gegenden. Kinder gehen nicht automatisch in die nächstgelegene Grundschule, sondern werden einer der Schulen im Distrikt zugelost. Geschwister kommen aber auf dieselbe Schule.

Theoretisch klingt das perfekt. Praktisch scheint es in Berkeley auch zu funktionieren.

Als das Busing in den 1970ern in San Francisco eingeführt wurde, reagierte die weiße, wohlhabendere Bevölkerung auf zweierlei Art:

  1. Umzug.
  2. Anmeldung der Kinder an Privatschulen.

In San Francisco sind die Folgen bis heute spürbar. 20% der Bevölkerung gehören einer Minderheit (nicht weiß) an. An den öffentlichen Schulen haben 80% der Schüler einen nicht-weißen Hintergrund.

Ich bleibe dabei: Die Idee ist trotzdem super!!! Tonis Busfahrer unterstützt sie sogar beim Englisch lernen. Jeden Tag führen sie dieselbe Konversation.

Fahrer: „Toni, make sure you have everything.“

Toni: dreht sich um und guckt

Fahrer: „Toni, do you have everything?“

Toni: „Yes.“

Fahrer: „Bye.“

Toni (seit heute): „Bye. Have a good day.“

Fahrer: „You too, see you tomorrow.“

March for Life

Ende Januar fand in San Francisco unter der Beteiligung vieler katholischer und orthodoxer Kirchen der „March for Life“ statt. Gegen Abtreibungen. Die ELCA (Evangelisch-Lutherische Kirche von Amerika) war nicht dabei. Zum Glück.

Es herrschte super Stimmung. Manche Gruppen sangen, andere beteten Ave Marias, wieder andere tanzten. Die Sonne schien. Ein herrlicher Tag. Ein Tag zum Leben.

Zwei junge Frauen schrien der Gruppe zu: „Mein Körper, mein Recht. Mein Körper, mein Recht.“ Mehr Protest gab es nicht. Man könnte auch sagen, der Marsch verlief so gut wie unbemerkt. Wir waren die einzigen Zuschauer, die länger als einige Minuten stehenblieben. Theo und Toni liebten die Flaggen und Marienbilder und Jesusdarstellungen. Für sie war es Kino pur.

Hier sah ich die ersten pro Trump-T-Shirts. Zwischen vielen Kruzifixen und Luftballons in Babyform. Manche Frauen trugen Schilder, auf die sie die Daten ihrer eigenen Abtreibungen geschrieben hatten. Das rührte mich zu Tränen. Andere Frauen trugen Schilder wie „Ich vermisse meine Nichte, abgetrieben am…, und meinen Enkel, abgetrieben am…“ Das ärgerte mich. Weil sie andere Frauen verurteilen. In aller Öffentlichkeit.

Und die Obdachlosen schauten schimpfend zu. Eine Frau sagte: „Das Leben auf der Straße ist scheiße. Aber das interessiert die Freaks da nicht.“ Und ich dachte: „Recht hat sie.“

Im Vordergrund obdachlose Einwohner von San Francisco. Im Hintergrund der „March for life“.

Ein Marsch fürs Leben darf nicht nur gegen Abtreibung sein, sondern muss sich für Chancengleichheit und soziale Absicherung einsetzen. Für ein menschenwürdiges Leben für alle. Auch nach der Geburt. Davon ist Kalifornien weit entfernt.

Also doch: Mein Körper, mein Recht? Das ist auch zu kurz gegriffen. Denn ein Embryo in meinem Bauch ist ein individueller Körper in meinem Körper. Mit eigenem Recht.

Kurz darauf redete ich mit einem anderen Pastor darüber. Seine Antwort zur Frage der Abtreibung ist von nun an auch meine. I am pro choice. I would choose life. Also: Ich bin für die Freiheit der Wahl (und damit gegen ein Verbot von Abtreibungen). Ich würde das Leben wählen (aber niemanden verurteilen, der das nicht konnte).

Ich bin ein Food-Waste-Hero!

Was mach ich mit viel Zeit und wenig Geld? Richtig! Meine Zeit sinnvoll nutzen. Für mich und andere. Seit einigen Wochen nutze ich die wunderbare App Olio. Darüber verschenken Menschen Lebensmittel an Nachbarn , die sie nicht zu essen schaffen. Brot, Pizza, Müsli, Kuchen und Käse holte ich schon ab.

Jetzt bin ich selbst Teil der gebenden Gemeinschaft. Als sogenannter Food-Waste-Hero rette ich Lebensmittel von einem veganen Restaurant, etwa 5 Fahrrad-Minuten entfernt von unserem Haus. Jeden Donnerstagabend ist dies von nun an meine Aufgabe.

Einige Brote kurz vor ihrer Verteilung.

Letzte Woche hab ich das 1. Mal Brote und Brötchen abgeholt. Aus echtem Sauerteig. 2 Fahrradtaschen lud ich voll und hielt noch 3 Brote und eine Tüte Brötchen in der Hand. Konnte kaum lenken. Während ich wackelnd navigierte, sprach mich eine Frau an. Sie hatte das Brot auf einer Bank liegen sehen, als ich es verpackte. Sich aber nicht getraut, eines zu nehmen. es war ihr peinlich.

Ich: „Bitte, darf ich ihnen Brot schenken? Sie würden mir wirklich helfen, ich kann es kaum tragen.“

Sie strahlte übers ganze Gesicht und ging mit Brot und Brötchen nach Hause (1 Toastbrot kostet hier ab $2,89). Und ich war glücklich über das Glück, geben zu können. Ohne Geld. Dank Zeit.

Die meisten Brote verteilte ich über die App Olio, einige wanderten in unser Gefrierfach für die nächsten Tage. Bis ich Donnerstag wieder welches hole. Was für eine Freude, mir und anderen auf diese Weise eine Freude zu bereiten!!

Abstinenz

Bisher habe ich vor Ostern immer gefastet. Schon als Kind auf Schokolade. Später kam Alkohol dazu. Dann hab ich das mit dem Alkohol im Vikariat wieder aufgegeben. Etwas muss man ja fürs Herze tun.

Hier ist das alles ganz einfach. Alkohol ist teuer. Schokolade ist sündhaft teuer. Außerhalb von Einladungen leben wir abstinent. Trockenen Entzug nennt man sowas wohl. Zum Glück gibt’s alle 2 Wochen Abendmahl mit Wein. Leider wird hier nur getunkt…

Es ist eine riesige Umstellung und ich merke, wie sehr Alkohol und Schokolade zu meinem Sozialleben dazugehören. Ja, ich weiß, es ist eine Chance. Mir meiner relativen Abhängigkeiten bewusst zu werden. Meinen Körper zu reinigen. Meine Seele zu befreien. Mir reicht’s jetzt schon. Gott sei Dank hab ich beim Krebsessen in der Kirche, mit reichlich Wein intus, eine Packung belgischer Pralinen gewonnen. Die schnurpseln Philipp und ich jetzt genüsslich abends. Immer nur eine und die wird geteilt. Muss ja ne Weile halten.

Bei Trader Joe’s gibt es den „1-Flasche-für-$2-Wein“. An der Kasse wurde ich nach meinem Ausweis gefragt. Ich war so perplex, dass ich nachfragen musste. Hallo? Ich seh doch nicht jünger aus als 21!!!

Manchmal soll der Wein gut sein. Ist Glückssache. Einen haben wir bisher probiert (den mit dem höchsten Alkoholgehalt). Der war es nicht. Übernächste Woche bekommen wir das 1. Mal Besuch aus Deutschland (samt Koffer voll mit Zahnpasta, Zahnbürsten, Grieß, Milchreis, Trockenhefe…). Da probieren wir den nächsten.