Hochsicherheit am Badesee

Mitte Juni und endlich Sommer! Temperaturen über 30 Grad am Wochenende. Ab an den See. Lake Anza wurde uns empfohlen. Ein kleiner See im Naturschutzgebiet Tilden hoch über Berkeley. Er koste zwar Eintritt, dafür gebe es Sand und Schatten, Klos und Rettungsschwimmer.

Mit dem geliehenen E-Auto von Freunden quälten wir uns die steilste Straße Berkeleys hoch. Gefühlt rollten wir rückwärts. Abwärts ist die Strecke übrigens auch nicht harmloser. Es ist wie beim Skifahren auf der schwarzen Piste. Da sieht man die halsbrecherische Tiefe auch erst, wenn man schon auf dem Weg nach unten ist.

Gegen Mittag war das Freibad noch angenehm leer. Also raus aus den Klamotten, rein in die Badesachen. Theo mit Schwimmgürtel und Schwimmflügeln ausgestattet. Tonis Flügel vorsichtshalber mit ans Wasser genommen gegen erlahmende Arme. Und ab in den See.

Bis zur ersten Absperrung nach ca. 5 m = Hüfthöhe bei Theo! Bis hier dürfen alle Kinder und Eltern. Die nächsten 5m sind für Kinder von Eltern, die den Schwimmtest bestanden haben. Also marschierte ich zum ca. 18-jährigen Rettungsschwimmer und meldete mich zum Schwimmtest. „Du musst 15m kraulen, Kopf unter Wasser mit seitlicher Atmung.“ Oha, kann ich das noch? Hab ich mal gelernt in meiner Jugend, aber ewig nicht gemacht. Aber Blamage ist nicht drin. Ich drückte Toni meine Brille in die Hand und nahm die Herausforderung an. Hab sie auch gemeistert. Gut, ich schwamm schräg und zu weit, hab ja nichts gesehen ohne Brille, aber dass Abzeichen in Form eines Armbandes bekam ich überreicht. Puh.

Hurra, ich kann schwimmen!

Ich vermute, 60% der Deutschen würden diesen Test nicht bestehen. Aber hier in den USA lernt man als erstes Kraulen, nicht Brustschwimmen. Und Regel ist Regel.

Nun durfte Toni ihre Schwimmübungen unter meiner Aufsicht und den Augen von 6 (!) Rettungsschwimmern in hüft- bis halstiefem Wasser fortsetzen. 2 standen auf den Wachttürmen, 2 wateten im Wasser herum, 1 paddelte im 3 Bereich auf einem Board und 1 lief zwischen allen hin und her. Sie waren fast schon eine Planschbehinderung.

Auf der anderen Seite des Sees badeten einige ganz Wagemutige. Außerhalb des abgesperrten Bereichs. Also Megafone rausgeholt und reingebrüllt: „Es ist strengstens verboten… Verlassen Sie sofort das Gewässer.“ Und das Wunder: Die Leute gehorchten.

Alle 90 Minuten wurden alle Kinder unter 16 Jahren aus dem Wasser gescheucht. „15 Minuten Pause: Findet eure Familien, trinkt was, esst was, schmiert euch mit Sonnencreme ein und geht aufs Klo.“, lautete die detaillierte Anweisung. Blöd, wenn man gerade erst ins Wasser gegangen war. Austricksen ging nicht, denn: „Die 15 Minuten beginnen erst, wenn das letzte Kind das Wasser verlassen hat.“

Bei aller individuellen Freiheit, die Amerikaner so schätzen, ist ihre Hörigkeit gegenüber Autoritäten immer wieder erstaunlich. Regeln müssen eingehalten werden. Egal, wie absurd sie sind.

Nach einigen Stunden traf Theo seinen Kindergartenfreund Ashton. Nach wenigen Minuten waren sie im schönsten Wasserpistolenkampf. „Bis zur ersten Absperrung darfst du gehen“, rief ich ihm zu und blieb mit Toni, die sich gerade aufwärmen musste, am Ufer stehen. Einige Minuten später kam ein aufgebrachter Rettungsschwimmer auf mich zu. Ich müsse mich in der Nähe meines Kindes aufhalten! Am besten direkt neben ihm.

Nun stiefelte ich dem davon sichtlich genervten Theo hinterher durchs Wasser, wurde ständig „aus Versehen“ nass gespritzt und drehte mich alle paar Sekunden nach Toni um, die nun „unbeobachtet“ spielte. So entspannt hatte ich mir meinen Samstag vorgestellt. Während Theo seine Pistole lud, stand ich 2 Schritte hinter ihm, ein Rettungsschwimmer 4 Schritte neben ihm. Sicherer geht es nicht. Bis ein weiterer Rettungsschwimmer auftauchte. Mit Tunnelblick ging er auf Theo zu, ignorierte mein Winken und fragte „Wo ist deine Mama?“ Ich wedelte hysterisch mit den Armen. Er sah mich. Allgemeine Erleichterung.

Selbst unsere Schwimmflügel wurden mokiert. Ob ich meinem Kind nicht sicherere Schwimmhilfen geben wolle? Aus Styropor? Die hier könnten platzen und dann würden die Arme der Kinder hoch gerissen (wieso eigentlich nicht runter?) und sie würden jämmerlich ertrinken (im knietiefen Wasser). Wir könnten die sicheren Hilfen kostenlos ausleihen. Ein Blick zu Toni, sie nickte, ok, dann machen wir das. Schwimmflügel ausziehen, Styropor-Flügel-Westen-Kombination anziehen. Zu klein. Na, wir haben guten Willen bewiesen.

Toni fand alles witzig und machte sich eine Spaß draus. Sie „schwamm“ zur ersten Absperrung und zappelte dann wie wild herum. Philipp fand es unterhaltsam, der Rettungsschwimmer nicht.

Fazit: Da fahren wir nicht wieder hin. Oder erst nach 18.00. Dann hat die Seenotrettung Feierabend. Und der Eintritt ist frei.

„Die ist ja gar nicht golden!“

San Francisco ohne Golden Gate Bridge? Geht ziemlich gut. Aber ist natürlich ein Unding. Also fuhren wir eines schönen Sonntags nach der Kirche hin. „Golden Gate Bridge“, übten wir mit den Kinder. Ist ein ziemlicher Zungenbrecher für Englischlerner.

Angekommen war die Enttäuschung riesig. Wo denn nun die goldene Brücke sei? Na, da! Wo? Häh? Die ist doch nicht gold! Die ist höchstens rot. Eher rotbraun. Fast schon kupferfarben.

Golden Gate klang wie ein Traum in ein Märchenland. Und nun war es nur eine viel befahrene, windige Hängebrücke. Lang nicht so imposant wie die Bay Bridge. Aber berühmter.

Zu ihrer Ehrenrettung: Im Sonnenlicht glitzert sie schon schön. Und die Technik ist imposant. Und der Besucherandrang enorm. Und als Fotomotiv eignet sie sich auch hervorragend. Vor allem, weil es einem den Neid aller Deutschen einbringt!

Exploratorium: STEM für alle!

Einige Male im Jahr öffnet das Exploratorium in San Francisco seine Türen für „zahl soviel du kannst“. Die Tage sind bei mir im Kalender markiert, denn sonst kostet ein Ticket $30. Das ist dieses Museum auch wert (wenn man das Geld hat). Eine riesige Halle voller Experimente. Wie TechniQuest in Cardiff, Wales. Bei mir hat die kindliche Prägung zwar zur Technikbegeisterung, aber leider nicht zu mehr Technikverständnis geführt. Vielleicht ist das ja bei T&T dank genetischer Vorbelastung anders?

Bewegte Bilder wie anno dazumal.

Irgendwie muss ich an den freien Museumstagen immer arbeiten. Und so bekam ich auch diesmal nur einen minimalen Einblick. Denn als ich kam, drehte Theo schon am Rad und Philipp war fix und alle.

Austoben gegen das Durchdrehen!

Also sah ich nur ein paar schockierende Highlights und erweiterte mein „Ich weiß was, was du nicht weißt“-Repertoire. Ein paar Auszüge:

In einem Terrarium lagen 5 tote Ratten in unterschiedlichen Verwesungsstadien (1 Woche bis 6 Wochen), die von Würmern aufgefuttert wurden. Bilder fürs Leben.

Reiner Kompost stinkt nicht und entwickelt eine Hitze, die man zum Heizen nutzen könnte.

Ich höre Töne erst ab 45 Hz und auch nur bis knapp 14.000. Wahrscheinlich bin ich irgendwann taub.

Man kann mit den Zähnen hören. Mit zugehaltenen Ohren. Weil Knochen Geräusche übertragen. Ziemlich irre.

Nebelschwaden fühlen sich an wie weiches Nichts.

Im September ist irgendwann an einem Donnerstag der nächste freie Mueseumstag. Da geh ich dann nur mit Erwachsenen ins Exploratorium! Oder allein. Hauptsache, ohne Kinder.

Studentenchöre: Grund, in Berkeley zu leben

Nichts gegen meinen wirklich guten Unichor in München. Er ist wirklich gut. Aber die studentischen Kammerchöre hier sind fantastisch. Fast schon ein Grund, hier zu studieren.

8 Laien-Formationen proben 1-2x die Woche. Unter ihnen eine A-capella-Gruppe a la Comedian Harmonist. Dazu das Damen-Pendant. Eine Rennaissancegruppe. Eine Musicalgruppe (da wäre ich definitiv drin gewesen). Eine Jazzformation. Am letzten Probenmontag meines Uni-Alumni-Chores gaben die Studis ein exklusives Minikonzert für uns. Wir stellten das Essen. Jede Gruppe sang ein Highlight aus ihrem Programm. Danach wurden die Graduates geehrte und Preise verteilt.

Auszeichnungen gibt es hier ja vielfach. Ein Foto der „Kassiererin des Monats“ hängt gleich am Eingang des Supermarkts. „Mitarbeiter des Jahres“ zu werden ist ein echtes Ziel.

Am Ende des Abends sangen wir für die Studis. Nach der gehörten Perfektion leider eher peinlich. Unser Chor hat zwar eine anspruchsvolle Aufnahmeprüfung, aber wer einmal drin ist, kann bleiben bis er stirbt.

Leider nähert sich das Semester seinem Ende entgegen. Lediglich einen Musicalabend erwische ich noch. Zwischen Juni und September werden die meisten Studis die Stadt verlassen (ein bisschen wie in Cluj im Sommer), es gibt so gut wie keine Uniangebote. Aber im kommenden Herbst werde ich die (kostenlosen) Konzerte der Studis besuchen. Weil sie wunderbar sind.

Mama ante portas – Einkauf bei Costco

Seit kurzem sind wir stolze Mitglieder von Costco, dem amerikanischen Metro für alle. Für $60 im Jahr darf ich nun Großpackungen shoppen und Geld sparen. Mein Traum!

Ein Besuch bei Costco ist ein so amerikanisches Erlebnis, es sollte auf der „To-do-Liste“ aller Touristen stehen. Eine riesige Halle mit allem, was man zum Überleben in den USA braucht: Campingstühle und Grills, Pools und Matratzen, Betten und Waschmaschinen. Dazu marinierte Rippchen in 6kg-Packungen, 60 Eier gestapelt in 2 Etagen, Joghurt in Eimern, Reis und Mehl in 10kg Säcken. Und all unsere Drogen: Tonis und Theos Oreo-Cookies, Philipps Frühstücksbacon, meine 3kg Schokocappucino. 2 l Sahne kosten hier soviel wie sonst 1/2 Liter im normalen Supermark. (Was tun mit 2l Sahne? Flüssig und geschlagen einfrieren.)

Costco ist wie ein überdimensionaler Aldi von früher (bevor Aldi anfing, Lidl nachzuahmen): Alles gibt’s genau 1x. Keine mich grenzenlos überfordernde Produktauswahl.

Beim 1. Besuch brauchte ich 2 Stunden, um mich zurechtzufinden und alles in den Wagen zu hieven. Dann der peinlichste Moment meines Berkeley-Lebens: Ich stehe mit übervollem Wagen an der Kasse, alles wurde von 2 freundlichen Männern gescannt und gestapelt – und meine Visacard funktioniert nicht. War einfach nicht genügend Geld drauf.

Panisch rief ich Philipp an, in der Hoffnung auf ein technisches Wunder. Dann die Erkenntnis: In Deutschland war es nach 18.00, jegliche Transaktion würde erst in 14 Stunden stattfinden. „Gibt’s eine andere Zahlmöglichkeit?“ – „Ja, Samsung-Pay.“ Kurzes Aufatmen, dann 2. Erkenntnis: mein deutsches Samsunghandy unterstützt diese App nicht. Und ich dachte, Technik wäre international. Also sah ich das Unabänderliche ein und ließ den Wagen unter 1000 Entschuldigungen stehen. Erstaunlicherweise wurde kein einziger Mitarbeiter wütend auf mich oder machte mir Vorwürfe. Stattdessen versuchten sie, mich zu trösten: „Das passiert jedem irgendwann mal. Kein Problem. Wir sind hier, um ihnen zu helfen. Machen sie sich keine Vorwürfe.“

3 Tage später mein 2. Versuch. Innerhalb von 45 Minuten hatte ich alles eingekauft, die Karte funktionierte (diesmal hatte ich mehrere mit zur Sicherheit). Und die Kinder stürtzen sich auf das Grillhühnchen und die 3kg Weintrauben.

Zu Hause füllte ich unser geräumiges Gefrierfach bis auf den letzten Platz mit Käse, Fleisch, Fisch und Guacamole, Hummus und Butter. Was man nicht alles einfrieren kann! Und mein hortendes Vorratsherz schlägt höher beim Blick in den Kühlschrank.

Für die nächsten 3 Monate brauchen wir nur Obst und Gemüse, Milch und Eier nachzukaufen. Und dann darf ich wieder zu Costco!

Alcatraz

Die Gefängnisinsel in der Bay von San Francisco ist der Tourimagnet Nr. 1. Tickets sollte man laut Reiseführer mind. 1 Monat vorher buchen. Wir kauften sie einfach einen Tag im Voraus. Dank Wochentag und Nebensaison.

Bei strahlendem Sonnenschein bot die Fährfahrt eine herrliche Aussicht auf Bay und Brücken, Stadt und Inseln. Allein dafür lohnt sich der Ausflug schon. Alcatraz selbst ist eine karge und steinige Insel. Berühmt für die kaum 29 Jahre, in denen es als Hochsicherheitsgefängnis der USA diente bis 1963.

Die schlimmste Strafe war vermutlich schon die Lage. Jeden Tag wurden die Gefangenen beim Ausgang daran erinnert, was sie vermissten: Die Stadt, das Meer, die Freiheit. San Francisco scheint zum Greifen nah. Aufgrund der heftigen Winde und Strömungen ist es jedoch unmöglich, die 2km schwimmend zu überwinden. Ob überhaupt irgendwer seinen Ausbruch überlebt hat, ist bis heute ungewiss.

Ein Audioguide führte uns durch die alten Mauern. Klingt erstmal unspektakulär. Aber es war endlich mal ein Audioguide, der es locker mit einem Kriminalhörspiel aufnehmen könnte. Toni und Theo hörten ihn 2x komplett durch. Beim 2. Mal erzählten sie uns ständig, was sie gerade hörten. So spannend war es. Unsere 5 Stunden auf der Insel verflogen im Nu!

Ein paar Anekdoten: Jeden Abend war es den Gefangenen erlaubt, eine Stunde lang zu musizieren. Jeder in seiner eigenen Zelle natürlich. Alle in einem großen Gebäude. Es muss ein Höllenlärm gewesen sein. Manche spielten tatsächlich Instrumente, aber die meisten klopften mit Löffeln gegen die Gitter oder schlugen Blechtasse und Blechnapf gegeneinander.

Gegen die Langeweile gab es eine riesige Bibliothek. Mancher Gefangene las bis zu 100 Bücher im Jahr. Allerdings waren alle Seiten mit kriminellen, blutigen oder sexuellen Geschichten rausgerissen.

Die Verpflegung war gut. Denn ein voller Bauch rebelliert nicht gern.

Grundsätzlich galt die Unterbringung als modern. Gegen die Gefangenen wurde keine Gewalt angewendet (mal abgesehen von begrenzter Einzelhaft in absoluter Dunkelheit für bis zu 11 Tage). Die viele Zeit in den Einzelzellen galt als Chance, sein Leben für sich zu überdenken und so zu bessern.

Auf der Insel lebten nicht nur die Gefangenen, sondern auch viele Wärter und der Direktor mit seiner Familie. Für die Kinder war es ein kleines Paradies des Freiraums. „Es war wie eine idyllische Kleinstadt mit der einen schlechten Nachbarschaft eben. Da sollten wir nicht hingehen.“

Highlight des Tages und Special Guest war eine Signierstunde mit William Baker, einem ehemaligen Gefangenen von Alcatraz. Er hat ein Buch darüber geschrieben. Laut seinem Lebenslauf landete er nach drei Ausbruchsversuchen aus anderen Gefägnissen mit Anfang 20 in Alcatraz. Die drei Jahre auf der Insel nutzte er und lernte das „Handwerkszeug“ fürs Schecks fälschen. Fortan sahen die nächsten 50 Jahre seines Lebens so aus: Entlassung, Fälschungen, Erwischt, Gefangen, Entlassung, Fälschungen, Erwischt, Gefangen usw. usw. Ein absolut unbelehrbarer Krimineller also. Heute ist er Anfang 80. Sprich, seit ca. 7 Jahren in Freiheit. Und da sitzt er als Ehrengast und signiert sein im Selbstverlag erschienenes Buch. Irgendwie skurril.

Ex-Häftling Baker bei der Signierstunde.

In den USA gibt es inzwischen ein Gesetz, dass Schwerverbrecher ihre Geschichten zwar noch veröffentlichen dürfen. Aber das damit verdiente Geld geht an Hilfsorganisationen. So soll verhindert werden, dank der eigenen Schandtaten reich zu werden. Berühmt werden geht immer noch. Und wenn es nur für einen Tag im Museumsshop von Alcatraz ist.

Einziger Wermutstropfen: Die Geschichte von Alcatraz vor und nach der Gefängniszeit wird kaum beleuchtet. Die Insel war ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine Militärbasis samt Fort nach Ende des mexikanisch-amerikanischen Kriegs. (Kalifornien war bis 1848 mexikanisch. Der Goldrausch begann direkt danach. Echtes Pech für Mexiko!) Im amerikanischen Bürgerkrieg wurde San Francisco von Alcatraz aus verteidigt. Später fungierte es als Militärgefängnis. Auch Indianer wurden inhaftiert. Der Grund: Sie weigerten sich, ihre Kinder auf staatliche, christliche Internate zur Umerziehung zu schicken.

„Peace and Freedom Welcome to the home of the Free Indian Land“ und „free Indian land — Indians welcome.“, steht auf dem Turm. Graffiti geschrieben 1969, restauriert 2012.

In Erinnerung daran, aus Wut über die kontinuierlichen Enteignungen und aus Protest gegen den Umgang mit Indianern, besetzten 1969 Studenten die Insel für 2 Jahre. Sie forderten, hier ein Bildungs-, Ökologie und künstlerisches Zentrum aufzubauen. Ergebnis: Präsident Nixon unterzeichnete ein Gesetz, dass Indianern grundsätzlich mehr Rechte zur Selbstverwaltung erlaubt.

Fun-Fact: Alcatraz ist wahrscheinlich der einzige Ort in der Bay-Area, an dem KEINERLEI Essen und Trinken verkauft wird.

Kultur ohne Budget? Ist möglich!

Die Bay Area bietet wirklich alles, was das Herz begehrt. Meer und Strand, Berge und Parks, grandiose Museen, Theater, Konzerthallen. Leider kostet das meiste viel. Wer hier Geld hat, kann paradiesisch leben.

Einige Tage lang war ich deshalb ziemlich deprimiert. Dann erwachte mein Kampfgeist und ich googelte zwei Nachmittage lang nach kostenlosen bzw. günstigen Freizeitaktivitäten.

Mit einer kostenlosen Bibliothekskarte bekommt man in vielen Museen einmal pro Jahr kostenlosen Eintritt. Manchmal gilt dies nur für 1 Erwachsenen, mal für 2, mal für Kinder, teilweise für die ganze Familie. Meine Exeltabelle schlüsselt mir das detailliert auf 🙂

Zudem bieten die Bibliotheken tolle Programme für Kinder: Musikstunden, chinesische Neujahrskarten basteln (Toni liebte es und verschenkte sie zum Valentinstag, Theo guckte Bücher an), Bienentag, Lego bauen – jeden Monat gibt es Überraschungen. Achso, und Bücher kann man natürlich auch nach Herzenslaune leihen. Und sogar 7 Filme im Monat streamen!

An jedem 1. Montag – Sonntag eines Monats bieten verschiedene Museen freien Eintritt, genial.

San Francisco kann man dank kostenloser Stadtführungen erkunden. Dachgärten laden zum Verweilen und Picknicken ein.

Schließlich fand ich eine Webseite, die, gäbe es sie nicht schon, von mir hätte sein können. „Funcheap“ heißt sie und informiert über kostenlose Events und verlost Eintrittskarten. Einmal hab ich schon gewonnen. Und das, obwohl ich NIE gewinne. Nicht mal bei der Tombola im Kindergarten. Hier scheint sich mein Glück gedreht zu haben. Hier gewinne ich ständig.

Dem Himmel so nah: Highway Nr. 1!

Einen kleinen Tagesroadtrip hatten wir uns vorgenommen. Die Kinder waren mit aufgeladenen MP3-Playern ausgerüstet, Sandwiche geschmiert, Flaschen gefüllt.

Fürs echte US-Trip-Feeling spendierte Kathrin eine Runde Starbuckskaffee (riesig, zuckersüß, oberlecker, Theo trank meinen Latte zur Hälfte, weil er wie Kakao schmeckte). Starbucks ist laut einer Umfrage der Coffeeshop der Liberalen in Amerika.

Nur tanken wollten wir noch schnell. Also suchten wir die günstigste Tankstelle in der Umgebung (die Preise für 1 Gallon variieren zwischen z.Z. zwischen $3,09 und $4,90).

1. Überraschung: Barzahlung ist 10 Cent billiger pro Gallon. 

2. Überraschung: Gezahlt wird vorher. Entweder man kennt sein Tankvolumen gut und kann rechnen. Oder man zahlt halt zu viel. Oder zu wenig und fährt mit halbem Tank weiter. 

Bei strahlendem Sonnenschein und bitterkaltem Wind sausten wir die Küste entlang von San Francisco nach Santa Cruz. Mit Automatik und Tempomat hatte selbst ich als Fahrerin Spaß.

Und sollte ich vorher noch an meinem Lebensglück hier gezweifelt haben angesichts der horrenden Preise, hat mich die umwerfende Natur versöhnt. Über seichte Anhöhen fuhren wir gen Meer. Steile Bergstraßen führten uns in Serpentinen in luftige Höhen. Alpenerinnerungen wurden geweckt. Eine Achterbahnfahrt ging hinab ins Tal. Und da lag der Pazifik vor uns. Blau, klar, mit steifer Brise und frischer Luft. Fast wie zu Hause.

Ein herrlicher Sandstrand erstreckte sich vor unseren Augen. Geparkt wird direkt hinter den Dünen. Treibgut, Muscheln, Steine, windgeschützte Nischen und schroffe Felsen sind hier auf engstem Raum beieinander. Wären wir nicht auf nem Roadtrip gewesen, hätten wir hier den Rest des Tages bleiben können.

Aber weiter. Vorbei an Erdbeer- und Kürbisfeldern, Restaurants und Wäldern.

Plötzlich ragt ein Leuchtturm auf: Pidgeon Point. Nordseeinselidylle. Das Meer brandet mit Wucht an die Felsen, Robben sonnen sich in der Nähe, die Luft schmeckt erstaunlich wenig nach Salz. Ein Ort zum Träumen und Sitzen und Bleiben. 

Wir wollen weiter nach Santa Cruz. Zu Dunkin Donut. Laut derselben Studie der Coffeeshop für Republikaner in den USA. Geschmack haben sie. Die Donuts sind fantastisch und der Kaffee ist der beste, den wir in der ganzen Woche tranken. 

Gestärkt geht’s an die malerische Küste von Santa Cruz. Surfer zeigen, was sie können, Paare und Familien flanieren den Strand entlang und fliehen schließlich vor der hereinkommenden Flut. Die letzten Stufen der Treppe zum Strand sind zusammengebrochen. Man hilft einander beim Springen und Klettern, reicht sich Kinder, Hunde, Essen zu. Als wir wieder hochklettern wollen, bauen 5 Männer gerade einen Treppenersatz aus Babyfelsen. Just do-it-yourself! 

Als die Sonne untergeht, hab ich ein Gefühl von Italien und Capri und Glück pur. Einzig getrübt durch das Wissen, dass der Parkplatz mit Sonnenuntergang schließt. Was genau heißt das? Unruhig gucken wir zu unserem Auto. Letztlich passiert nichts, die Dunkelheit bricht ein, Jugendliche kommen zum Feiern.

Und wir brausen zurück über Berge und Autobahnen quer durchs Land nach Hause. Mit kleinem, spontanem Abstecher in Sa Jose, um Sarah und ihre Familie zu besuchen.

Fazit:

Wir leben an einem Ort, an dem sich alle Vorteile von München und Rostock vereinen.

Demokraten trinken ihre Kalorien lieber, Republikaner essen sie. Ich bin dann kulinarisch wohl eher rechts hier. Verwirrend.

Mit Auto macht das Leben hier noch mehr Spaß.

Nächstes Mal wollen wir Wale sehen!

Heimatgefühl!
Lebensglück pur! Für Mensch und Hund.

Auto fahren in Kalifornien

Ich hab’s getan! Ich bin Auto gefahren. Automatik! Ohne Navi.

Als ich den Leihwagen abholte, kam ich mir vor wie im Film. Nagelneuer Wagen. Schlüssel wird nicht mehr reingesteckt, sondern muss sich nur im Auto befinden. Aber Achtung, wenn man ihn aus Versehen im Auto lässt, aussteigt und die Türen schließt, wird das Auto automatisch verschlossen.

Mit nur 2 Pedalen fuhr es sich erst furchtbar. Ständig produzierte ich Vollbremsungen, weil mein linker Fuß kuppeln wollte. (Wer hätte das gedacht, dass selbst ich über muskuläre Fahrerinnerungen verfüge.)

Am nächsten Tag musste ich Kathrin vom Flughafen abholen. Panisch bat ich Philipp, mich als Beifahrer zu unterstützen. Und so sausten wir über die nächtlich funkelnde Baybridge. Philipps Ansage „Und jetzt 16 km auf der Autobahn bleiben.“ entpuppte sich als Trugschluss. Bei 5-7 Spuren ist „bleiben“ eine Herausforderung. Ständig kommen Spuren hinzu, werden die rechten 2 zur Ausfahrt, teilt sich die Autobahn. Erschwerend ist zudem, dass von links und rechts legal überholt werden darf. Und da die Amerikaner die rechten Spuren zu meiden scheinen, sind dies häufig die freien, schnellen.

Zum Glück kämpfen alle mit denselben Problem. Also wird gedrängelt, geschnitten, abgedrängt wo es nur geht. Nachdem ich mich einmal daran gewöhnt hatte, spielte ich einfach mit. Dank Automatik kein Problem.

Anfahren am Berg. Kein Problem. In den Straßen von San Francisco ein Segen. Einparken. Kein Problem dank Rückkamera und unüberhörbarem Piepen.

Überhaupt ist das Einparken hier viel leichter. Denn die Parkplätze sind schlicht breiter. Die normale, europäische Größe gilt als „compact“ für Kleinwagen. Selbst das seitliche Einparken ist machbar, da zwischen zwei Einfahrten meistens 2 Autos passen. Also kann ich entweder gemütlich vorwärts oder rückwärts reinrollen.

Auch die STVO ist für Dummies geschrieben. Rechts vor Links? Ist zu kompliziert. Wer weiß schon zuverlässig, wo rechts ist? (Ich nicht.) Also stehen hier in Berkeley ca. 1 Mio. Stoppschilder. Die Zahl ist nicht übertrieben. An jeder Kreuzung stehen entweder 2 Stoppschilder oder 4. Entweder müssen alle Autos anhalten oder eine Straße hat also Vorfahrt. Als Fahrradfahrerin halte ich das für die uneffektivste Art, den Verkehr zu regeln. Als Autofahrerin hab ich es schätzen gelernt. Man muss nämlich quasi nicht denken. Nur gucken. Bremsen. Fahren.

Vorfahrt hat, wer als erstes angehalten hat = Rasen, Vollbremsung, Hochstart, Rasen, Vollbremsung usw.

Dieses Wochenende haben uns Freunde ihr manuell zu schaltendes Auto geliehen… Mal sehen, wie das wird. Philipp fährt leider nicht, weil sein Führerschein noch auf seinen Geburtsnamen ausgestellt ist. Das ist ihm nach knapp 6 Jahren Ehe erst hier aufgefallen…