Busfahren in Berkeley oder: Der Busfahrer als Seelsorger.

Eigentlich ist alles ganz offiziell geregelt. Kinder ab 5 Jahren zahlen für den öffentlichen Nahverkehr, Erwachsene sowieso. Das finden alle blöd, aber was hilft’s. Also steige ich mit Toni in den Bus und verlange für uns beide Tageskarten. Ich bekomme eine, Toni wird durchgewinkt. Ich stutze, danke und setze mich. Im nächsten Bus dasselbe Spiel. Irgendwann verstehe ich: Es ist die den Busfahrern eigene Art, dieses Gesetz zu boykottieren. Es lebe die Anarchie im kleinen Rahmen!

Busfahrer stellen hier nicht nur die Regeln auf, sie sind auch die Alltagsseelsorger.  Ich stecke mein Ticket falschrum rein: statt angemotzt zu werden, erhalte ich ein strahlendes Lächeln. Ich verfahre mich, die Busfahrerin nimmt mich kostenlos mit und setzt mich wohlbehalten an der richtigen Haltestelle ab.

Ihr Talent: mit jedem ein Gespräch beginnen, das innerhalb von wenigen Minuten die Seele erfrischt oder reinigt oder erheitert oder alles auf einmal.

Echte Alltagssorger für die Seele! #deinezeit (liebe deutsche Bahn, davon könnt ihr noch lernen)

Ein kleines Wunder: Unsere Wohnung gibt es wirklich!

Pastorin Kerstin holte mich und unsere 7 Koffer à exakt 22,8kg am Flughafen ab. Philipp und die Kinder fuhren Zug. Unser Ziel: Eine Adresse, an der unsere Wohnungsschlüssel in der offenen Garage in einem Schrank versteckt liegen sollten.

Die Vorgeschichte: Über eine Facebook-Gruppe bekam ich die Email-Adresse von Lothar. Auch er Physiker samt Frau und Tochter, deren 2 Jahre in Berkeley zu Ende gingen. Wir schrieben hin und her, die beiden Physiker Philipp und Lothar skypten – fertig war der Deal. Wir würden ihre Nachmieter werden, wann immer sie auszogen und ihre Möbel ablösen. Der Vermieter war einverstanden, meldete sich aber wochenlang nicht. Irgendwann mussten wir das tun, wovor immer gewarnt wird: Ohne irgendeine Unterschrift oder Sicherheit Kaution und 1. Miete für eine Wohnung überweisen, die wir noch nie gesehen hatten.

Und nun saß ich im Auto Richtung Berkeley und bekam mit jedem Kilometer schweißigere Hände. Wahrscheinlich bewahrte mich nur die völlige Übermüdung vor Panikattacken. Und dann war alles ganz einfach: Der Schlüssel lag, wo er liegen sollte. Die Wohnung war groß und schön. Die Terrasse entpuppte sich als Garten. Und ein riesiges Puppenhaus stand im Wohnzimmer und wartete auf neue Spielkameraden. Ein amerikanischer Traum im Ikea-Look!

Erste „Oh wie schön ist Panama“ – Erfahrung (das Plüschsofa, ihr wisst schon):
die begehbaren Kleiderschränke. Ein Schrank voller Kleiderbügel, wie gemacht für Tonis und meine Kleider. Sowas brauch ich später auch in Deutschland (falls das hier meine zukünftige Gemeinde liest, bitte das Pfarrhaus entsprechend anpassen).

Hello California!

Fliegen gegen die Zeit: Wir haben gewonnen!

14 Stunden fliegen mit 2 Kindern. Eine Horrorvorstellung für mich. Letztlich entspannt dank all der Kinderfilme. Unsere fernsehtechnisch völlig untrainierten Kinder guckten begeistert alles, was das Programm hergab, lediglich kurz durch Essenspausen unterbrochen. Während Toni und ich aus reinen Vernunftgründen zwischendurch 2 Stunden schliefen, hielten Theo und Philipp die Augen offen.

Pünktlich zur Landung pennte Theo natürlich ein. Mit 8x Handgepäck, 1 schlafenden Theo im Arm und Löwi und Puppi unter den Arm geklemmt, verließen wir als letzte das Flugzeug. Theo verschlief auf diese Weise die Einwanderungsprozedur und das Gepäckband. Entgegen aller Erfahrungen und Erwartungen war die Einwanderung völlig undramatisch. Keine Warteschlangen. Freundlich besorgte Angestellte beim Anblick von Theo. Keinerlei Fragen. Nur unsere 4 kleinen Gartenäpfel fielen den Lebensmittelgesetzen zum Opfer und landeten im Müll.

Während wir unsere Papiere präsentieren, reist eine Mutter mit ihren 3 kleinen Kindern am Schalter nebenan aus Canada ein. Ein kleiner Dialog entspannt sich.

Beamter: Wow, Sie müssen eine starke Frau sein, wenn Sie mit 3 Kindern fliegen.

Mutter: Nein, ich bin vor allem eine müde Frau.

Beamter zum ältesten Sohn: Wo ist denn dein Vater?

(Sohn antwortet)

Beamter: Hilfst du deiner Mutter auch?

Sohn: Ja

Beamter: Gut, dein Vater wird stolz auf dich sein.

Und die Moral von der Geschicht‘: Der Stolz des Vaters ist und bleibt das höchste Ziel.

Zu Hause fielen beide Kinder in tiefen Schlaf, wachten am nächsten Morgen auf – vorbei war der Jetlag. (Ich wälzte mich natürlich noch einige Nächte gegen 2.00 schlaflos im Bett :))

Kindermund I

Toni nach dem Kirchencafé: „Mama, hier ist das Essen soooo süß und fettig. Es ist wirklich heftig. Davon krieg ich Kopfschmerzen.“

Toni und Theo staunen über das 1,20m breite Kinderbett: „Da könnten wir ja zu zweit drin schlafen. Aber warum haben die hier so große Betten, wenn die Menschen so klein sind?“

Toni beim Anblick unseres Kühlschrankes: „Der ist doppelt so groß wie in Hamburg. Und halb so leer.“

Toni freut sich auf warmes Popcorn. Ein erster Biss, angewidertes Schütteln: „Iiiiiih, das ist ja salzig!“