Halloween für Erwachsene im Geisterhaus

Um Halloween schiessen die Geisterhäuser hier aus dem Boden. So eine Art Geisterbahn. Nur schlimmer. Weil man nämlich selbst durchlaufen muss. Also wie damals, als ich als Kind mit meinem Bruder auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt durch die Kindergeisterbahn lief.

Nur, dass sich damals mein Bruder an mich klammerte und ich mutig voranschritt. Ich wusste ja schliesslich, dass das alles nicht echt war.

Diesmal wusste ich es auch. Half aber nichts. Mein Verstand sagte mir: Ist alles nur Requisite. Die Schauspieler dürfen mich nicht anfassen (hatte mich extra beim Einlass vergewissert). Wir sind eigentlich in einem Einkaufszentrum. Und ausserdem ist das hier Amerika, die haben panische Angst vor Klagen. Da passiert garantiert nichts.

Und trotzdem dachte ich zwischenzeitlich, ich würde die 25 Minuten nicht überleben ohne mich heiser zu schreien und in Ohnmacht zu fallen. Psychologisch habe ich viel über mich gelernt.

Meine 1. Angstbewältigungsstrategie war der Realitätscheck. Darf mich jemand berühren? Wird sich der Boden bewegen? Bei näherem Hinsehen sind die Masken ziemlich übertrieben. War ein guter Versuch. Aber ich hab mich trotzdem fürchterlich erschreckt über all die aus dem Nichts auftauchenden Monster und auf dem Boden kriechenden Wesen.

2. Strategie: Die Menschen/ Schauspieler/ Gruselwesen vor denen mir bange ist ansprechen. Einem maskierten Typen erklärte ich halb selbstbewusst: „Ich weiss, dass du mich nicht anfassen darfst.“ Aber das war ihm total wurscht. Er blieb trotzdem gefühlt 1 Millimeter von meinem Gesicht entfernt mit seiner haarigen Schreckensmaske.

3. Strategie: Vorsicht. Wir haben wahrscheinlich den absoluten Zeitrekord gebrochen, denn ich bin durch die beiden Häuser im Schneckentempo gegangen. So langsam, dass sich die Leute hinter uns stauten. Und die Armen sich viel weniger gruselten als wir. Zitat des Ehepaares hinter uns am Ende: „Das war überhaupt nicht schlimm. Weisst du noch, bei dem in Tennessee, da sind wir fast gestorben vor Angst.“ Bin ich froh, dass ich da nicht war.

4. Strategie (die keine ist, sondern eher ne Reaktion): Mich an Philipp klammern. Von hinten, damit er zuerst erschreckt wird. Jedes Mal, wenn Philipp aufschrie, schloss ich vorsichtshalber die Augen. Hab dadurch viel weniger Angst gehabt (und auch nur die Hälfte der Dinge gesehen… aber das war es wert). Leider hat einer der Schauspieler mich durchschaut und es einmal geschafft, Philipp so zu erschrecken, dass er einen Satz nach vorn gemacht hat. Und plötzlich war da ein Monster zwischen Philipp und mir und ich schrie nur noch nach Philipp und das Monster blieb und Philipp kam nicht zu mir und ich nicht zu ihm. Ein absoluter Albtraum von ca. 3 Sekunden, einer gefühlten Ewigkeit.

Warum wir uns das angetan haben? Weil ich Karten gewonnen hatte (hätte sonst $26 pro Person gekostet). Weil es super amerikanisch ist und ich noch immer im Austauschschülermodus lebe und alles ausprobieren will. Weil ich es jetzt von meiner Liste abhaken kann.

In der Nacht hatte Philipp Albträume. Ich nicht. Beschützer sein hat seinen Preis.

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