Schlimmer als in Rumänien: Infrastruktur

„Wie viele Dollar hat Berkeley im letzten Jahr für die Instandhaltung seiner Straßen ausgegeben?“, fragte uns ein Freund. Wir überlegten, er grinste. Ah, also eine Fangfrage. „Null?“ – „Ja, genau.“

In entsprechendem Zustand sind die Straßen. Schlaglöcher wohin das Auge blickt, aufgerissener Asphalt, fehlende Markierungen. Zum Glück sind die Fahrbahnen so breit, dass man meistens ausweichen kann.

Selbst auf der Autobahn sieht es so aus. Die erlaubten 65 Meilen pro Stunde (104 km/h) fühlen sich entsprechend halsbrecherisch schnell an auf manchen Strecken. Wenn plötzlich alle vor dir ohne ersichtlichen Grund bremsen, unbedingt nachahmen. Die kommende Bodendelle dürfte besonders heftig sein.

Wo fließen die Steuergelder nur hin? Vielleicht in den öffentlichen Nah- und Fernverkehr? Weit gefehlt. Die Bart (S-Bahn) fährt wie die Straßenbahnen in meiner Kindheit: laut, langsam, ohrenbetäubend quietschend.

Wenn selbst im Bus fürs Autofahren geworben wird…

Die Züge sehen aus wie semi-moderne Regionalzüge. Der Schein trügt, denn sie imitierten Dampflocks auf dem 19. Jahrhundert: Sie tuten minutenlang, dass man es in ganz Berkeley hört und kriechen im Schneckentempo durch die Lande.

Schnellbahnen und ICEs wären ja mal ein Anfang. Aber bis die kommen, fahren hier die ersten selbstfahrenden Autos. Und dann kommen vielleicht die selbstfahrenden Busse und dann haben wir schon fast ein funktionierendes Nahverkehrsystem – ca. 2050!

Wenn das Leben dir Zitronen gibt…

… dann lebst du glückselig in Berkeley. Mit eigenem Zitronenbaum vor der Haustür. Mit Nachbarn, die noch mehr Zitronen haben. Und zwar das ganze Jahr über.

Zitronenlimonade und heiße Zitrone sind der beste Ersatz für die schweineteuren Säfte hier. Die Kinder bereiten sie inzwischen fachmännisch zu: Zitronen pressen, Zucker nach Belieben, etwas kochendes Wasser drüber gießen, damit sich der Zucker auflöst, mit kaltem Wasser aufgießen. UND natürlich Eiswürfel reinwerfen. Wir sind in Amerika.

1. Ernte von inzwischen 3!

Zu Erntehochzeiten hatten wir so viele Zitronen, dass wir sie beim besten Willen nicht austrinken können. Also kochten Toni und ich Lemoncurd/ Zitronenbutter. Oberlecker, einfach und mit Suchtpotential. Passt zu Bagels und Pfannkuchen und lässt sogar Toastbrot zum Geschmackserlebnis werden.

Aldi alternativ

Aldi heißt in Amerika Trader Joe’s (deshalb kommen bei Aldi auch alle amerikanischen Produkte von Trader Joe’s für 1/3 des amerikanischen Preises). Der Laden wirbt damit, lokal und ökologisch zu sein. Und hipp. Mit Altpapiertüten und Feinkostpreisen.

Letzte Woche flatterte die Werbung in unseren Briefkasten. Zunächst kaum als solche zu erkennen, weil im altertümlichen Zeitungsformat.

Schon der Untertitel ist nahezu religiös: Immer kostenlos, jeden Penny wert. Quasi wie Gnade.

Jedes beworbene Produkt ist Teil einer Geschichte, erzählt eine Geschichte und hat das Zeug dazu, deine individuelle Lebensgeschichte zu bereichern. Das ist die Strategie. Und sie geht auf. Ich las und las, bekam Lust auf Eis und Brezen und Wein. Zum Glück gibt’s auch eine Einkaufsliste zum Ankreuzen. Sehr praktisch.

Am Ende kaufte ich nichts davon, weil ich einfach so gut wie nie Shoppen gehe hier. Und wenn, dann strikt nach lebensnotwendigen Bedürfnissen. Aber irgendwann werde ich wohl bestimmt schwach. Das Werbeformat ist einfach zu gut. Ich freu mich schon auf die nächsten Geschichten.

Graduation von der Kita

Zu graduieren, also die Schule und Uni erfolgreich abzuschließen, ist einer der großen amerikanischen Träume von Eltern und Kindern. Also beginnt man früh damit. Schon die Kitakinder „graduieren“. Mit Hut natürlich.

Zur Feier waren alle Eltern, Geschwister, Großeltern usw. eingeladen. Wir saßen auf Miniholzstühlen und warteten. Auf den pompösen Einzug unserer Stars von morgen. Die Kinder gingen in Reih und Glied. Bis Theo an der Reihe war. Er fand es einfach nur albern, lachte und warf seinen Hut runter. Leider kannten die Lehrer da gar kein Pardon. Der papierne Graduation-Hut kommt gefühlt gleich nach der amerikanischen Flagge. In Berkeley vermutlich sogar noch davor. Also versuchten sie Theo mit aller Kraft, diesen Hut wieder aufzusetzen.

Theo ganz rechts während der 5 Sekunden, die er den Hut widerwillig trug.

Bis Theo brüllte. Philipp musste hin und helfen. Für Theo war die Feier damit gelaufen. Er war wütend auf die Lehrer, verpasste das gemeinsame Singen, wurde noch wütender und saß irgendwann schmollend mit mir auf der Couch.

Dabei hatte er mich einige Tage zuvor damit überrascht, klar und deutlich zu singen: „Lean on me, when you’re not strong, and I’ll be your friend.“ Gefolgt von „She sells sea-shells by the seashore“.

Ironisches Highlight der Vorführung war der Moment, in dem die 5-Jährigen sangen: „Best time of my life“. Während die Eltern gerührt blinzelten, musste ich mir einen Lachanfall verkneifen. Hoffentlich war das nicht die beste Zeit ihres Lebens. Wäre ein schlechtes Omen für die nächsten 80 Jahre…

Beim „Potluck“ (jeder bringt was zu Essen mit) danach gab es für uns Eltern alles, was das Herz begehrt. Die Kinder bekamen „Corn Dog“: Würstchen im süßen Maismehlmantel, frittiert. Theo und Toni fanden es eklig und suchten Essasyl bei uns. Nach 1 1/2 Stunden Kulturschock saßen wir laut lachend im Auto. Verrückt, diese Amis.

„Die ist ja gar nicht golden!“

San Francisco ohne Golden Gate Bridge? Geht ziemlich gut. Aber ist natürlich ein Unding. Also fuhren wir eines schönen Sonntags nach der Kirche hin. „Golden Gate Bridge“, übten wir mit den Kinder. Ist ein ziemlicher Zungenbrecher für Englischlerner.

Angekommen war die Enttäuschung riesig. Wo denn nun die goldene Brücke sei? Na, da! Wo? Häh? Die ist doch nicht gold! Die ist höchstens rot. Eher rotbraun. Fast schon kupferfarben.

Golden Gate klang wie ein Traum in ein Märchenland. Und nun war es nur eine viel befahrene, windige Hängebrücke. Lang nicht so imposant wie die Bay Bridge. Aber berühmter.

Zu ihrer Ehrenrettung: Im Sonnenlicht glitzert sie schon schön. Und die Technik ist imposant. Und der Besucherandrang enorm. Und als Fotomotiv eignet sie sich auch hervorragend. Vor allem, weil es einem den Neid aller Deutschen einbringt!