Unser Vermieter und die deutsche Geschichte

Montagabend bezogen wir unsere Wohnung. Donnerstagmittag kam unser tiefenentspannter Vermieter Joe zum Unterschreiben des Mietvertrages. Ein sonnengebräunter und braungefärbter, freundlicher Mann. Weltläufig, weitgereist, politisch interessiert. Als erstes stellte er klar: Trump ist ein Idiot. Berkeley ist die Insel der Glückseligen. Hier ist man politisch demokratisch gesinnt. Aber Achtung, wenn die Stadtgrenze verlassen wird! 

Toni begann ihm gleich auf Deutsch von Hamburg zu erzählen und er antwortete prompt auf Deutsch. Sein Vater sei in Wien geboren. Ich fragte nach und bekam zur Antwort: „Komplizierte Geschichte“. Eine halbe Stunde später verstand ich, warum: Joe ist ca. 55, Jude, in Israel geboren, später nach Amerika ausgewandert. Sein in Wien geborener Vater muss also vor den Deutschen geflohen sein, mindestens emigriert. 

Und da sitzen wir gemeinsam am Tisch, sind uns politisch erstaunlich einig, erfreuen uns an einem Leben, das uns internationale Reise- und Lebensmöglichkeiten schenkt. Und plötzlich habe ich ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit, dass das möglich ist. Dass Joe, Nachkomme verfolgter Juden und ich, Urgroßenkelin eines NSDAP-Abgeordneten, beim Tee sitzen ohne Groll, ohne Scham. Vereint in der Aufgabe, die Welt friedlich und offen für unsere Kinder und Enkel zu erhalten. Danke, Gott!

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