Einmal im Monat werden in Oakland 800-1000 Menschen zu amerikanischen Staatsbürgern ernannt. Die Feier nennt sich Naturalization und findet im wunderschönen, prunkvollen Paramount-Theater statt.
„Natural“ Bürger sind eingeborene Staatsbürger. Durch die Naturalization werden Menschen quasi von Amerika adoptiert und zu Eingeborenen. Witzige Vorstellung irgendwie. Und etwas übergriffig. Die amerikanische Staatsbürgerschaft ist demnach mehr als ein Blatt Papier. Sie schafft eine neue Identität, eine zweite Haut.
Eine kleine Gruppe freiwilliger Sänger gestaltet die Feiern musikalisch und schmettert zum Beginn patriotische Lieder: herrlich schmalzig in Schusterterzen. Beim letzten Lied winken wir fleißig mit unseren Miniflaggen. Die amerikanischen Neubürger in spe klatschen fröhlich mit.
Die 13 Damen und Herren des Chores sind alle über 60, alle liberale Demokraten. Sie lieben ihr Land und verabscheuen die Politik von Trump. Eine Freundin sagte zu mir: „Dass ich hier singe, ist meine Art, gegen Trump zu protestieren. Ich heiße diese Menschen in unserem Land willkommen. Und Trump kann nichts dagegen tun. Das ist meine Mission.“
Die Lieder handeln von der Weite und Schöne des Landes, von der Freiheit und Freude, Amerika zur Heimat für alle zu machen. „Kommt her, die ihr mühselig und beladen seid“, heißt es in biblischen Anklängen. Amerika ist das gelobte Land, dass den Heimatlosen zur Heimat wird. Beim Singen des Textes muss ich an die Zeltstädte der Obdachlosen denken, an denen wir wenige Minuten zuvor vorbeigefahren sind. Das gelobte Land ist weit weg. Vielleicht besingen wir es deshalb umso inbrünstiger.
Im Mai singe ich wieder mit.