„I love your bike!“ ruft mir eine Frau beim Aussteigen aus der S-Bahn zu. „Great bike“, sagt ein anderer Radfahrer im Vorbeifahren. Herrlich! Kein Tag vergeht hier, ohne dass ich Komplimente bekomme. Oberflächlich? Klar. Aber wunderschön! Es schmeichelt meiner Seele, wenn mich die Kindergärtnerin begrüßt mit: „Wow, was für ein schöner Mantel!“ Es zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen, wenn meine Chorsitznachbarin meine Strickjacke lobt. Denn ich fühle mich in diesem kurzen Moment angesehen.
Heute hab ich das 1. Mal selbst Komplimente verteilt. Als Norddeutsche muss ich das erst wieder üben. Und es bereitet mir Freude, Freude zu verbreiten. Toni hingegen ist ein absolutes Naturtalent. Neulich beim Kirchencafé sagte sie zu der älteren Dame neben sich als Gesprächseinstieg: „Du hast aber schöne Ohrringe.“ Eine Woche später trafen sich die beiden wieder und Toni bemerkte: „Heute hast du auch sehr schöne Ohrringe an, aber andere als letztes Mal.“ Die Dame strahlte übers ganze Gesicht!
Ist das eine inflationäre Verwendung von „lieben“ und „mögen“? Eine Entwertung der Begriffe? Geht das überhaupt? Ich werde auf jeden Fall wieder üben, an anderen Menschen das Wunderschöne zu sehen und es ihnen auch zu sagen. Egal, ob ich sie kenne oder nicht. Weil es einfach schön ist, schön zu sein. Und weil es noch schöner ist, wenn es ein anderer ausspricht.