Tonis Klassenfoto könnte auch ein Bild der Abgeordneten der United Nation als Kinder sein. Kinder in allen Farben der Welt teilen sich das Klassenzimmer. Die meisten sind Amerikaner. Daneben gibt es ein indisches Zwillingspaar, einen chilenischen und einen australischen Jungen, zwei deutsche Mädchen. Spanisch und Englisch und Deutsch wird hier regelmäßig gesprochen, alle anderen Sprachen sind willkommen.
In Berkeley mit seinen ca. 130.000 Einwohnern ist die Wahrscheinlichkeit, Menschen aus aller Welt zu treffen, extrem hoch. Die Uni hat internationale Anziehungskraft, die Stadt ist offen, die Menschen heißen einander willkommen. Ich habe noch nie zuvor an einem fremden Ort so schnell so viele spannende Leute kennengelernt (und ich bin schon oft umgezogen…).
Man redet hier mit seinen Nachbarn, grüßt jeden auf der Straße (Toni jedenfalls lautstark) und wird gegrüßt. Man guckt nicht nur blöd (Oh, was macht der Junge da. Klettert der etwa in der S-Bahn?), sondern schnackt einfach kurz über die Situation oder wird auch mal belehrt… Aber auf jeden Fall muss ich mir nicht aus den Blicken meiner Mitmenschen zusammenreimen, was sie denken. Sie sagen es mir eh ungefragt.
Erstaunlicherweise treffe ich die meisten Menschen gar nicht „organisiert“ über die Uni. Sondern: auf dem Spielplatz, beim Sport, im Chor, bei Tonis Chor, am Schulbus, über facebook und Olio (Lebensmittelrettung) und nextdoor (NachbarschaftsApp). Das ist per se nicht ungewöhnlich. Besonders ist hier, dass sich aus kurzen Gesprächen viel schneller ein Austausch von Telefonnummern und eine Verabredung ergeben, als in Deutschland. Für jemanden wie mich, die ich ohne soziale Kontakte nicht überleben kann, ein Traum.
Ein Traum, den ich weiter träumen möchte, egal wo ich lebe.
Wenn ich so durch Berkeley radele, dann denke ich manchmal: Wow, ich fühle mich hier wirklich wohl und zu Hause. Und das nach so kurzer Zeit. Es kann nicht am Wetter liegen (bisher gab es viiiiiel Regen und weniger Sonne), nicht an der Schönheit der Stadt (sie ist weder hässlich, noch schön; unaufgeregt, grün, überschaubar), nicht an unserem Lebensstandard (niedrig). Es liegt einzig und allein an den Menschen in Berkeley. Denn hier ist die Welt zu Hause. Und ich bin so dankbar, ein Teil davon sein zu dürfen.