Mein 3. Sontag in meiner eigene Gemeinde. Bisher jedesmal anders dank fortschreitender Massnahmen zur Eindaemmung des Coronaviruses.
1. Sonntag: “normaler” Gottesdienst mit grossem gemeinsamem Mittagessen im Anschluss.
2. Sonntag: 10 Leute treffen sich, um den Gottesdienst zu gestalten und zu filmen. Alle anderen schauen von zu Hause via Zoom zu.
3. Sonntag: Alle sitzen zu Hause und wir feiern einen Zoom-Gottesdienst (schade, dass hier der Witz “und es hat Zoom gemacht” nicht funktioniert).
So klingt es ganz einfach. Hinter den Kulissen ist das ein riesiger Aufwand und am Ende immer noch nicht so schoen wie “in echt”. Aber immerhinque.
Das Positive zuerst:
1. Die technisch begabten Maenner in unserer Gemeinde haben einen Heidenspass. Was fuer eine Freude, in ihre begeisterten Gesichter zu sehen, wenn alles klappt. Es gibt ein Technik-Support-Team, das “Ersteinwaehler” bei Zoom unterstuetzt und Samstagnachmittag eine Probe anbietet. Es gibt einen Host, der uns alle an- und ausschaltet, einen Chef vom Dienst, der alles im Blick behaelt und dann viele Maenner, die mit ihren Kamera- und Audioeinstellungen herumexperimentieren. Die maennliche Beteiligung am kirchlichen Leben ist mal eben ordentlich angestiegen.
2. Endlich koennen nun auch die ans Bett und an ihre 4 Waende gefesselten Menschen mit uns Gottesdienst feiern. Dass wir ploetzlich alle auf unsere Wohnungen beschraenkt sind, oeffnet unseren Blick fuer die Beduerfnisse all derer, die schon seit Monaten oder Jahren nicht mehr mit uns feiern koennen.
3. Menschen aus aller Welt koennen zusammen Gottesdienst feiern. Sprich, meine Familie schaltet sich aus Rostock und Berlin dazu, Freunde hoeren aus Deutschland und den USA zu. Interessanterweise faellt es mir leichter, amerikanische Freunde zu meinem Onlinegottesdienst einzuladen, also zu einem “echten”. Und fuer die Freunde ist die Hemmschwelle auch niedriger.
4. Ich kann liturgisch herumspielen und vor allem unseren wortgewaltigen Gottesdienst entschlacken und niemand meckert. Ist ja eh alles anders. Ich liebe es. Also gleich mal 1 von 3 Lesungen rausgeschmissen, Gebete gekuerzt, Psalm als Suendenbekenntnis genommen. Fuehle mich wie auf der Spielwiese.
Was fehlt? Der Kontakt. Ist echt komisch in eine Kamera zu predigen und niemand lacht ueber einen Witz oder nickt oder zeigt irgendeine Ruehrung. Es fehlt mir, Menschen zu umarmen und zu segnen und ihnen das Abendmahl auszuteilen. Mir fehlt das liturgische Handeln, weil ich bisher nur meine Laptopkamera nutzen kann und entsprechend statisch agieren muss.
“Viele Pfarrer sitzen in ihren Arbeitszimmern vor ihren Buecherregalen”, sagte mir ein Gemeindeglied. Ich sitze vor einer halbwegs weissen Wand in unserem Wohnzimmer. Ich hab kein Arbeitszimmer und schon gar keine Bibliothek. Die lagert in Hamburg im Keller. Die einzige Bibliothek in unserer Wohnung ist ein uebervolles Regal im Kinderzimmer. Vielleicht setz ich mich davor auf den Teppich beim naechsten Mal. Fuers Pfarrerklischee.
Das Gute: Wir haben ja noch ein paar Wochen, um uns zu verbessern. Fuer naechsten Sonntag wollen wir ein Kreuz basteln fuer die leere Wand. Freunde leihen mir eine Kamera und ein mobiles Mikro. Dann kann ich vielleicht sogar im Garten feiern oder am Strand. Mal sehen!
Immer Sonntags 10.15 kalifornische Zeit per link https://zoom.us/j/5107973724
unsere meeting ID ist 510 797 3724