Das sang Gerhard Schoene in den 1980ern schon mit einem Augenzwinkern: „Ich bin im Fernsehen aufgetreten. Nun bin ich was wert, denn die nehm’n ja nicht jeden.“ ALSO nochmal zum feierlichen Mitschreiben: Ich bin im Fernsehen aufgetreten, im ZDF Fernsehgottesdienst. Jetzt kann ich eigentlich in den Ruhestand gehen. Lebensziel einer Pastorin erreicht. Zur Prime-time flimmerte mein Gesicht ueber die Bildschirme von 1 Million Zuschauern/ Gottesdienstbesuchern. Kann ich mir ehrlich gesagt immer noch nicht wirklich vorstellen.
Was wie ein ganz normaler Gottesdienst wirkte, war auch einer. Weil wir wirklich mit unserer Gemeinde Gott lobten und beteten und sangen. Zugleich war es eine von vorne bis hinten durchgetaktete und geprobte Veranstaltung. Wollte gerade „Show“schreiben, aber das trifft es nicht richtig.
Das Thema wurde uns vorgegeben. „Kuenstliche Intelligenz“, wo wir schon mal im Silicon Valley sind.
Meine Kollegin Kerstin flog vor einem Jahr nach Deutschland und wurde dort fuer ihren Fernsehauftritt eine Woche lang geschult. Im Mai kam das ZDF Team dann samt EKD-Medienbeauftragtem und EKD-Pastor zu uns nach San Francisco zur Ortsbegehung und 1. Besprechung. Nicht das schlechteste Ziel fuer eine Dienstreise.
Ich traeumte von einem Psalm, den wir mit Anfragen an Gott und KI kunstvoll verwoben. Ich traeumte von kurzen Fuerbitten, die Raum zum Nachdenken und Beten lassen. Ich traeumte.
Die Realitaet war nuechterner. 43,5 Minuten darf ein ZDF Gottesdienst dauern, 45 Minuten inklusive Vorfilm und Abspann. Schnelle Uebergaenge muessen es sein, keine intendierten Pausen. Wichtige Menschen wie der Bischof und der Generalkonsul sollten zu Wort kommen, wuenschte man sich. KI sollte kurz erklaert werden fuer all unsere Zuschauer, die sich darunter nichts vorstellen konnten. (Und fuer mich!) Fernsehtauglich und kamerfreundlich sollten wir uns bewegen und platzieren. Am Hochaltar zum Gebet stehen war da nicht drin.
Stundenlang traf ich mich mit zwei unserer Gemeindeglieder, um gemeinsam die Liturgie vorzubereiten. Thematisch musste es ja um KI/ Digitalisierung gehen und wir rangen um Worte. Robert und Christopher kennen sich da aus. Wollten einerseits die Chancen nicht verdammen und andererseits keine blinde Technikbegeisterung an den Tag legen. Arbeiteten 4 Stunden lang am Psalm 139. Vorwarnung: Davon ist sehr wenig im Gottesdienst gelandet.
Vier Tage vor Aufzeichnung der Sendung rueckte ein ca. 12-koepfiges Team aus Deutschland an. Kameras, Beleuchtung, Sound-System, es sah aus wie im Filmstudio. Ein Wachtmann schlief nachts in der Kirche.
Freitag wurde der Vorfilm aufgenommen. Stundenlange Drehs fuer wenige Minuten. Beim letzten Teil stand ich neben Kerstin vor unserer Kirche. Eigentlich kein Problem. Aber es war mitten im Berufsverkehr und immer in meinem letzten Satz raste ein Bus durchs Bild und verschluckte meine Worte. Schliesslich mussten wir den Text kuerzen, um zwischen 2 Bussen filmen zu koennen.
Freitag Abend dann die erste Drehbuchbesprechung im gesamten Team mit ersten Stellanweisungen. Da wurde es langsam ernst. Samstag Mittag eine erste Stellprobe, noch mit Double fuer Bischof und Konsul. Fuer meine Mittelgangposition klebten wir einen kleinen Aufkleber auf den Teppich. Alle anderen Positionen war leicht zu merken dank der diversen Flecken unseres Teppichs: Jeder Sprecher bekam seinen eigenen Fleck zur Orientierung.
Danach Durchlauf mit Chor und Musikern. Gottesdienst auf Probe feiern vor leerer Kirche. Definitiv eine Erfahrung. So skuril das ist, es macht locker. Beim eigentlichen Gottesdienst hatte ich das Gefuehl, alles schon mal gesagt und gemacht zu haben. Stimmte ja auch. Das nahm viel von der Aufregung. Dass unser Gottesdienst, im Gegensatz zu den sonst aus Deutschland uebertragenen, nicht live ausgestrahlt wurde, entspannte mich zusaetzlich. Der GROSSE SONNTAG konnte kommen.