Orthodoxe Liturgie und lutherische Theologie = die episkopale Kirche. Wäre ich hier aufgewachsen, das wäre wohl die Konfession meiner Wahl gewesen.
Zur Osternacht besuchte ich einen Gottesdienst in der St. Marks Kirche in Berkeley. Freunde von mir singen dort im Chor, also würde ich nicht ganz allein sein. Natürlich kam ich etwas zu spät – und fand die Kirche leer vor. Mist, falsche Kirche, dachte ich. Oder eine nicht upgedatete Website. Da sprach mich eine Dame an. Der Gottesdienst beginne im Innenhof. Und dort standen sie alle, mit Kerzen in den Händen und einem Lied auf den Lippen. Ich ließ mich fallen in die Atmosphäre und folgte der Menge in die Kirche. Ein Blick ins Programmheft ließ mich kurz erschaudern. 16 voll bedruckte Seiten und ich hatte noch kein Abendbrot gegessen.
Die Schönheit der Musik und Texte, dazu der Duft nach Weihrauch und Kerzen ließen mich Raum und Zeit vergessen. Es war wie im orthodoxen Gottesdienst, nur ohne Rückenschmerzen, weil mit bequemen Kirchenbänken. Und mit ordinierten Frauen im Altarraum. Gekleidet in goldene Brokatgewänder. Selbst das Evangelium wurde gesungen. Traumhaft.
Dann wurde eine erwachsene Frau getauft. 3 Seiten Namen von Heiligen im Programm. Gesungen von einem wunderbaren Bariton. Dabei prozessierte die gesamte Gruppe samt Kreuz durch die Kirche. Bis sie just beim letzten Namen beim Taufbecken ankam. Die ersten 20 Namen lang überlegte ich, was ich theologisch davon halten sollte. Die nächsten 20 Namen lang las ich mir alle durch, aus reinem Interesse. Weitere 20 Namen lang beobachtete ich alles ganz genau. Bis ich schließlich einstimmte in den Ruf „Bete für uns“.
Bei der Taufe wird ein Mensch an Gott gebunden und damit Teil einer Gemeinschaft von lebenden, verstorbenen und zukünftigen Christen. Er hat Anteil am Heiligen und wird damit selbst heilig. Nicht perfekt, nicht besser als andere, sondern heilig. Das betone ich bei jeder Taufe. Hier wurde es sinnbildlich vor Augen geführt. Die aufgezählten Heiligen sind für mich keine abgeschlossene Liste der „besten“ Christen. Sie stehen stellvertretend für alle Heiligen dieser Welt. Für alle, die mit Christus in der Taufe gestorben und auferstanden sind.
Und dann kam das Beste! Die Auferstehungsfreude in Form eines meiner orthodoxen Lieblingslieder. Ich kannte es bisher nur auf Rumänisch: „Christus ist auferstanden von den Toten. Er hat den Tod durch den Tod überwunden und denen, die im Grabe sind, das Leben geschenkt.“ Mein persönlicher Osterschlager.
Hier saß ich, hungrig und müde nach über 2 Stunden Gottesdienst. Als plötzlich das Lied auf Englisch erklang. Aus allen Ecken bewegte sich der Chor gen Altar und sang in zigfachen Wiederholungen von Christi Sieg. Zwei Reihen vor mir begann eine Frau rythmisch zu stampfen. Dann der Mann hinter ihr, dann noch wer, schließlich sang und stampfte die ganze Kirche: „Christus ist auferstanden von den Toten. Er hat den Tod durch den Tod überwunden und denen, die im Grabe sind, das Leben geschenkt.“