Ende Januar fand in San Francisco unter der Beteiligung vieler katholischer und orthodoxer Kirchen der „March for Life“ statt. Gegen Abtreibungen. Die ELCA (Evangelisch-Lutherische Kirche von Amerika) war nicht dabei. Zum Glück.
Es herrschte super Stimmung. Manche Gruppen sangen, andere beteten Ave Marias, wieder andere tanzten. Die Sonne schien. Ein herrlicher Tag. Ein Tag zum Leben.
Zwei junge Frauen schrien der Gruppe zu: „Mein Körper, mein Recht. Mein Körper, mein Recht.“ Mehr Protest gab es nicht. Man könnte auch sagen, der Marsch verlief so gut wie unbemerkt. Wir waren die einzigen Zuschauer, die länger als einige Minuten stehenblieben. Theo und Toni liebten die Flaggen und Marienbilder und Jesusdarstellungen. Für sie war es Kino pur.
Hier sah ich die ersten pro Trump-T-Shirts. Zwischen vielen Kruzifixen und Luftballons in Babyform. Manche Frauen trugen Schilder, auf die sie die Daten ihrer eigenen Abtreibungen geschrieben hatten. Das rührte mich zu Tränen. Andere Frauen trugen Schilder wie „Ich vermisse meine Nichte, abgetrieben am…, und meinen Enkel, abgetrieben am…“ Das ärgerte mich. Weil sie andere Frauen verurteilen. In aller Öffentlichkeit.
Und die Obdachlosen schauten schimpfend zu. Eine Frau sagte: „Das Leben auf der Straße ist scheiße. Aber das interessiert die Freaks da nicht.“ Und ich dachte: „Recht hat sie.“
Ein Marsch fürs Leben darf nicht nur gegen Abtreibung sein, sondern muss sich für Chancengleichheit und soziale Absicherung einsetzen. Für ein menschenwürdiges Leben für alle. Auch nach der Geburt. Davon ist Kalifornien weit entfernt.
Also doch: Mein Körper, mein Recht? Das ist auch zu kurz gegriffen. Denn ein Embryo in meinem Bauch ist ein individueller Körper in meinem Körper. Mit eigenem Recht.
Kurz darauf redete ich mit einem anderen Pastor darüber. Seine Antwort zur Frage der Abtreibung ist von nun an auch meine. I am pro choice. I would choose life. Also: Ich bin für die Freiheit der Wahl (und damit gegen ein Verbot von Abtreibungen). Ich würde das Leben wählen (aber niemanden verurteilen, der das nicht konnte).